Löhrieth ist ein Stadtteil von Bad Neustadt, in dem noch viele Tugenden aus der guten alten Zeit Gültigkeit haben. Da wird nicht lange gemeckert, da packt man selber mit an, wenn's drauf ankommt.
Dann gibt's bei Bürgerversammlungen auch nicht viel zu kritisieren - wie es kürzlich wieder zu erleben war. Aber vielleicht liegt's auch daran, dass die meisten Löhriether einen Besen haben, mit dem sie vor der eigenen Haustür kehren – genau so, wie es sich Helmut Krämer beim Binden gedacht hat.
Altes Wissen: Wie bindet man Reisigbesen?
Der Ur-Löhriether, der sein ganzes Leben immer im selben Haus gewohnt hat, gehört noch zu den wenigen, die wissen, wie man einen Reisigbesen bindet. Über die Schulter schauen ließ er sich von vielen Menschen 2008 beim großen Dorffest zur 850-Jahr-Feier von Löhrieth. Heute sieht man ihn eher, wenn er seinen Hof damit fegt. „In dem Reisig bleibt nichts hängen“, schwärmt der 80-Jährige von den Qualitäten seines Naturprodukts.
Um es anfertigen zu können, sucht Helmut Krämer im Herbst die Birken im Staatsforst auf. Wichtig ist der richtige Zeitpunkt: Die Blätter müssen schon fallen, aber es muss noch ein bisschen Leben im Reisig sein, damit man es abschaben kann. Dieser Vorgang erfolgt für einen schönen hellen Besenstiel. Früher machte man sich die Mühe für die Stubenbesen, die Stallbesen konnten ganz und gar dunkel bleiben.
Verbotenerweise Reisig gesammelt
Fürs Reisigholen brauchte man seit jeher eine Erlaubnis vom Förster. Mit spitzbübischem Schmunzeln berichtet Krämer die Geschichte, die man sich von seinem Onkel erzählt. Der hatte sich nämlich einmal ohne Genehmigung seinen Rücken auf zwei Stecken mit Reisig vollgeladen, als ihn ein Griff von hinten stoppte. „Hab' ich dich“, triumphierte der Förster. „Noch nicht ganz“, gab der Onkel zurück, kippte die Reisigfuhre nach hinten vom Rücken und machte sich aus dem Staub.
Gelernt hat Helmut Krämer das Besenbinden vom Vater und vom Großvater. Die Männer saßen in der Stube, von der Decke hing ein Seil, mit dem das Reisig gehalten wurde. Außerdem war das passende Brett erforderlich, damit man beim Zusammenbinden der einzelnen Stecken mit Sisalgarn den richtigen Druck ausüben konnte. Mit einer geschickten Drehtechnik wurde der Besen-Kopf zu einem sogenannten Geißfuß geformt, damit die Reiser für alle Zeiten eine feste Einheit bilden.
Furcht vor dem Besen
Lebhaft erinnern kann sich Helmut Krämer, dass die schönen Reisigbesen in seiner Jugend durchaus auch Furcht auslösten. Als er mit anderen Dorfkindern zusammenkam, um die Blasmusik zu erlernen, hing am Balken mitten in der Stube ein Exemplar, das tüchtig eingesetzt wurde, wenn die Nachwuchsmusikanten etwas übermütig wurden.
So bezeichnet Helmut Krämer heute noch eine seiner drei Besentypen als diejenige für die nicht ganz Braven. Der überwiegende Teil des Sortiments ist dafür gedacht, vor der eigenen Haustür zu kehren, und dann gibt's – allerdings nur auf Vorbestellung – noch Besen, auf denen die Hexen reiten können. „Die hat bis jetzt noch niemand bestellt“, wundert sich Helmut Krämer ein bisschen.