Im zweiten Obergeschoss des "Kloster Wechterswinkel" stößt der Besucher nun auf eine neue Dauerausstellung, die auf den ersten Blick verstört. Da stehen romantisch verklärten Weihnachtskrippen großformatige Gemälde, Skulpturen und Fotografien gegenüber, die die harte Realität darstellen: Menschen auf der Flucht, Findelkinder, Menschenopfer, Kindermorde. Warum diese ungewöhnliche Zusammenschau von zeitgenössischer Kunst und Weihnachtskrippen, warum dieser krasse Kontrast?

"WÜRDEVOLL – Impulse zur Menschwerdung".
Bei der Ausstellungseröffnung gab es Antworten auf diese Frage. Im Beisein zahlreicher Vertreter des öffentlichen Lebens erläuterte der frühere Baukunstreferent der Diözese Würzburg, Domkapitular em. Jürgen Lenssen, in seiner Eigenschaft als Stifter und Kurator den Gedanken, der hinter der Ausstellung steht. "Sie finden hier kein Krippenmuseum vor, sondern eine Zurschaustellung des Aufrufs, sich der Würde des Lebens, der Würde des Menschen in seinen unterschiedlichsten Lebenssituationen zu verschreiben und trotz aller erfahrbaren Unmenschlichkeiten sich der Würde nicht berauben zu lassen." Daher trägt die Ausstellung auch den Titel: "WÜRDEVOLL – Impulse zur Menschwerdung".

120 Werke aus seiner Sammlung hat Lenssen beigesteuert
120 Werke aus seiner Sammlung hat Lenssen beigesteuert. Hinzu kommen noch einige Leihgaben der "Freunde des Museums am Dom", Würzburg, die in ihrer Gesamtheit eine "einzigartige, hochaktuelle Ausstellung" ergeben, wie Landrat Habermann herausstellte. Die zeitgenössische Kunst zum Thema "Würde und Menschwerdung" bereichert aus seiner Sicht die Weihnachtskrippendarstellungen. Während die unantastbare Menschenwürde als oberster Grundsatz vor 75 Jahren als Folge der NS-Herrschaft und des Holocaust Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, würde die menschliche Würde heute oftmals mit den Füßen getreten.

Auch Bastheims Bürgermeister Tobias Seufert freute sich über die Ausstellung, die er als "starkes Zeichen für ein besonderes Thema in der heutigen Zeit" bewertete. Für Bezirkstagspräsident Stefan Funk wird mit dem Aufeinandertreffen von traditioneller Krippe und zeitgenössischer Kunst eine "Fährte gelegt, um einen Diskurs zu beginnen". Er betrachtete die Ausstellung als Spiegel der Gesellschaft, als Impuls der Zeit und als Appell zum Nachdenken. "Möge der Geist des Ortes Impulse und Gedanken zur Reflexion schenken", so sein abschließender Wunsch.
Positives, aber auch kritisches sprach Klaus Reder als Bezirksheimatpfleger für Unterfranken an. Er lobte das Kreiskulturzentrum von Rhön-Grabfeld als "Leuchtturmprojekt", das zeige, wie Kulturarbeit heute gelingen kann, wies aber gleichzeitig auch auf die vermehrte Zahl an Schließungen von Museen, auf die unsichere Zukunft von Fachkräften oder auch auf nicht eingehaltene Zusicherungen hin.

Die Ausstellung ist nicht zwingend religiös
In einer von Kreiskulturmanagerin Astrid Hedrich-Scherpf moderierten Gesprächsrunde mit der Überschrift "WÜRDE – zeitlos und aktuell, Aspekte im Kontext von Kunst und Religion", erläuterte das Habermann die Beweggründe für das Ausstellungsmotto und verwies dazu auf die zunehmende Zahl von Fällen, in denen die Menschenwürde nicht beachtet wird. Da sie "etwas ganz Fundamentales in unserer Gesellschaft ist, muss sie heute besonders instrumentalisiert werden". Ausdrücklich betonte er, dass es keine christliche Ausstellung ist. Auch sei sie nicht zwingend religiös ist. Sie habe lediglich einen christlichen Bezug.

Für Lenssen war die Verbindung von Krippentradition und zeitgenössischer Kunst ein existenzieller Ansatz. "Man müsse Gott im menschlichen Gegenüber erkennen. Was wäre ein Leben ohne Liebe? Die Liebe schafft Würde!"
Für die Vorsitzende des Bad Neustädter Kunstvereins, Eva Warmuth, sind "Künstler Seismografen der Gesellschaft". Aus ihrer Sicht benötigt die Menschenwürde ein starkes Statement der Politik. Auch beinhalte sie die Fürsorge für Erde und Natur. Künstler Thomas Lange bezeichnete es als schwierig, bestimmte Verstöße gegen die Menschenwürde künstlerisch festzuhalten.
WÜRDEVOLLÜber 130 Werke von Künstlern wie Ernst Barlach, Thomas Lange, Henry Moore, Herbert Holzheimer oder Ben Willikens umfasst die neue Dauerausstellung im Kloster Wechterswinkel. Die Ausstellung mit dem Titel "WÜRDEVOLL – Impulse zur Menschwerdung" kann während der Öffnungszeiten des Kreiskulturzentrums in Wechterswinkel, Um den Bau 6, (mittwochs bis sonntags sowie an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr besucht werden. Jürgen Lenssen bietet monatlich eine Führung durch die Ausstellung an. Weitere Informationen unter Tel.: (09773) 897262 und www.kloster-wechterswinkel-kultur.deQuelle: pa