„Zirkus – das hat man nicht jeden Tag.“ – Nadja hat sich für die Clowns entschieden. Jedes der 56 Kinder durfte am ersten Tag alle Zirkusangebote ausprobieren und dann die zwei aussuchen, die ihm am besten gefallen. Nicht leicht, wenn es so spannende Dinge gibt wie Fakir sein und barfuß auf einem Nagelbrett stehen, im Trapez hängen, Feuerfackeln schwingen.
Eine gute Erfahrung sind die ersten Tage am Volkersberg auch für Moritz. Obwohl der Sechstklässler im Rollstuhl sitzt, konnte er genau wie die anderen am Montag alles ausprobieren. Auch er stand auf dem Nagelbrett, Helfer machen es möglich. „Sonst sieht man immer die anderen im Zirkus, jetzt ist man selber im Zirkus“, sagt Tobias und freut sich schon mit den anderen auf Freitag, wenn Eltern und Großeltern kommen und ihnen zuschauen.
Vor zwei Jahren hatte es bereits ein Zirkusprojekt der Jugendbildungsstätte Volkersberg gegeben. Jetzt findet es zum zweiten Mal statt und ist für Pädagogin Simone Ott die Premiere. Sie ist 2007 speziell für die Zirkuspädagogik eingestellt worden. Zwei weitere Zirkuswochen sind für dieses Schuljahr gebucht, die nächsten Nachfragen müssen aufs neue Schuljahr verschoben werden.
Die Klassengemeinschaft wird gestärkt, ist sich Simone Ott sicher, und für die Schüler hofft sie, „dass sie mit einem größeren Selbstbewusstsein nach Hause fahren“. Im Zirkuszelt geht es ziemlich turbulent zu, in der großen Manege trainiert die Seilspring-Gruppe. Während drei Mädchen wie wild immer wieder und immer schneller hüpfen, erklärt eine Helferin einem Jungen mit Down-Syndrom ganz behutsam, wie er es schaffen kann, das Seil über den Kopf zu schwingen und dann darüber zu springen.
Für Moritz steht der Erfolg der Woche schon am zweiten Tag mitten im Tumult der Proben fest. Ihm macht es nichts aus, vor vielen Leuten aufzutreten, erklärt er. Und ihren Zirkuslehrer Lui aus Reichenberg bei Würzburg finden die Mädchen und Jungen so cool und witzig, dass er ihnen die Aufregung nimmt. Am Rand des großen, rot-weißen Zirkuszelts üben die Jugendlichen Purzelbäume und Handstand über den Vordermann. Dabei fällt nicht auf, ob jemand Autist ist oder ein anderes Handicap hat. Bis Freitag werden die Mädchen und Jungs Feuerfackeln schleudern, Bälle jonglieren, mit dem Diabolo spielen. Manche Showeinlagen sind auch gefährlich, erklärt Moritz und erzählt von Fakirübungen mit Feuer und dem Trapez.
Es gibt auch ganz gewöhnliche Jobs im Zirkus am Volkersberg: Kartenabreißer, Vorhangwächter, Requisiteur. Die Fünft- und Sechstklässler erarbeiten nicht nur die Vorstellung, sie kümmern sich um Licht- und Tontechnik und auch um die Bewirtung. Etwa zwei Stunden wird die Vorführung am Freitag dauern.
Danach heißt es Abschiednehmen vom Volkersberg, vom Zirkusteam und vom schönen Leben außerhalb der Schule. Denn das geben die Jugendlichen unumwunden zu: So klasse das Zirkusprojekt ist, mindestens ebenso schön ist, dass sie eine Woche lang dem gewohnten Schulunterricht entgehen.
Im Blickpunkt
Zirkusprojekte Die Schüler aus Schonungen zeigen ihr Zirkusprojekt Weltreise am Freitag, 25. April, um 17 Uhr im Zirkuszelt unterhalb der Jugendbildungsstätte. Die Aufführung ist öffentlich und dauert etwa zwei Stunden. Karten gibt es an der Abendkasse. Projekte wie der Zirkus am Volkersberg sind nicht neu, aber nach wie vor selten. Einer der erfolgreichsten ist der integrative Circus Bärnelli, den Klaus Schreiber 1994 in Lohr ins Leben gerufen hat. Mit rund einem Dutzend jugendlicher Akteure aus der St.-Nikolaus-Schule und ebenso vielen Gymnasiasten werden Vorführungen einstudiert, die bis zu 1 000 Besucher begeistern. Seit fünf Jahren bieten auch die beiden Zirkus-Pädagogen Claudia und Peter Bethäuser im Circus Luna in Westheim Zirkuscamps an. Kinder im Alter von neun bis 16 Jahren haben hier die Möglichkeit, Zirkuskünste unter fachlicher Anleitung zu erlernen und öffentlich zu zeigen. In Zusammenarbeit mit Jugendämtern, Schulen und Vereinen führen die Eheleute Bethäuser Feriencamps, Schulprojekte und auch langfristig angelegte Zirkusprojekte durch.