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AUBSTADT: Ja, wir wollen die Ehe für alle!

AUBSTADT

Ja, wir wollen die Ehe für alle!

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    Schöne Tradition: Der Aubstädter Bürgermeister schenkt seinen Brautpaaren traditionell ein Vorhängeschloss mit deren eingravierten Namen. Befestigt wird das an der Rathaustreppe. Den Schlüssel dazu versenkt der Bürgermeister im Aubstädter Wolfgangsee.
    Schöne Tradition: Der Aubstädter Bürgermeister schenkt seinen Brautpaaren traditionell ein Vorhängeschloss mit deren eingravierten Namen. Befestigt wird das an der Rathaustreppe. Den Schlüssel dazu versenkt der Bürgermeister im Aubstädter Wolfgangsee. Foto: Foto: Sharon Köhler

    „Es war der schönste Tag in unserem Leben“, sagen Inka Scheller und Sandrine Dahmane aus Aubstadt über den Tag, an dem sie Ja zueinander sagten. Am Samstag, 30. September, haben die beiden Frauen „geheiratet“. So nennen sie es, auch wenn sie offiziell eigentlich von „Verpartnerung“ sprechen müssten. Denn die Ehe für alle gibt es erst seit dem 1. Oktober.

    Die Lebenswege kreuzten sich in Giebelstadt

    Inka Scheller und Sandrine Dahmane wären gerne die Landkreis-Ersten gewesen, die den Bund der Ehe eingehen. Auch wenn sie sich bereits zu dem Schritt entschlossen hatten, als es diese rechtliche Möglichkeit noch gar nicht gab und noch in den Sternen stand, ob sie je kommen würde.

    Kennengelernt hatten sich die beiden 2009 auf der Arbeit. „Liebe auf den ersten Blick war es bei mir aber nicht“, stellt die Aubstädterin Scheller klar. Sie arbeitet als Lkw-Fahrerin für die Wäscherei Leimeister in Schweinfurt. Regelmäßig führte sie ihre Tour zu Bavaria Jadbau in Giebelstadt. Staplerfahrerin Sandrine Dahmane wusste da schon eher, was sie wollte. Immer öfter richtete sie es so ein, dass sie Schellers Lieferungen entgegennahm.

    Nur im Januar 2010 nicht. Da hatte sie Urlaub. „Ich hab' dich frei vermisst“, die unbedachte Äußerung von Scheller machte Dahmane Mut. Sie lud zum Date am folgenden Wochenende. Seit 29. Januar 2010 sind die beiden ein Paar.

    Altersunterschied kein Hindernis

    Größte Hürde, sagen sie im Rückblick, war dabei nicht ihre Gleichgeschlechtlichkeit, sondern der Altersunterschied. Mit 41 Jahren ist Scheller elf Jahre jünger als die 53-jährige Dahmane – am Ende kein Hinderungsgrund. Noch im Juli desselben Jahres bezogen sie ihre erste gemeinsame Wohnung nahe Werneck, im Jahr 2013 zog es sie dann in Schellers Heimatort Aubstadt.

    „Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt“, berichtet die Französin Dahmane, die vom tollen Verhältnis zur Familie ihrer Frau und den netten Nachbarn schwärmt. Eine Selbstverständlichkeit ist das in ihren Augen nicht: 1985 verließ sie Frankreich, unter anderem wegen des schwierigen Verhältnisses zu ihrer Mutter. Der Liebe wegen kam sie damals nach Frankfurt. Dort hatte sie in den Sommerferien immer die Tante besucht. Dahmane blieb, auch als die erste große Liebe wieder ging. „Zum Glück“, schmunzelt Inka Scheller heute.

    Warten auf den Heiratsantrag

    Die wartet übrigens fast einen Monat nach ihrer Verpartnerung noch immer auf einen richtigen Heiratsantrag. Doch dafür ist Dahmane nicht der Typ. „Wir heiraten“, hat sie im Frühjahr dieses Jahres ihrer „Madame“ – so nennt sie Scheller gerne – eröffnet. Ihr Arbeitskollege, Dahmane arbeitet mittlerweile bei DB Sicherheit, habe sie auf die Idee gebracht, als er nach 38 Jahren „wilder Ehe“ offiziell um die Hand seiner Lebensgefährtin anhielt.

    „Mein Job ist mitunter gefährlich“, spricht sie über ihre Motive. Wer bekommt Auskunft, wenn etwas passiert? Wer entscheidet, wenn es nötig ist? Wer ist für einen da, wenn man Hilfe braucht? Eltern und Geschwister leben schließlich in Paris. Dahmane griff zum Telefon und informierte sich bei Aubstadts Bürgermeister Burkhard Wachenbrönner über die nötigen Formalitäten. Er war es letztlich auch, der das Paar Ende September verpartnerte. Im Vorgespräch stellte auch Wachenbrönner die obligatorische Frage nach dem Antrag. „Antrag?“, lachte Dahmane damals, „den Antrag habe ich doch bei Ihnen gestellt.“

    Die Frage nach der gegenseitigen Absicherung

    Dass ihre Überlegungen in puncto gegenseitiger Absicherung durchaus relevant sind, musste das Paar zehn Tage vor der Hochzeit erleben. Ein Autounfall brachte Dahmane damals ins Krankenhaus, am Ende ging glücklicherweise alles glimpflich ab. Ihren Entschluss hat dieses Erlebnis nur bekräftigt.

    So pragmatisch motiviert die Entscheidung zur Eheschließung war, die Umsetzung und die Feierlichkeiten kann man nicht anders als romantisch bezeichnen. „Es war eine ganz klassische Hochzeitsfeier“, erzählt das Paar. Während der Zeremonie im Rathaus sang ein Aubstädter Alleinunterhalter „Halleluja“ und „Tausend Gründe dich zu lieben“, Inka Scheller war so zittrig, dass sie kaum die Ringschatulle öffnen konnte. Bürgermeister Wachenbrönner überreichte dem Paar ein Vorhängeschloss mit ihren Namen. In Aubstadt werden derartige Liebesschlösser von Brautpaaren traditionell an die Rathaustreppe gekettet, der Schlüssel im nahe gelegenen „Abschter Wolfgangsee“ versenkt. Nach der Zeremonie standen Schellers Arbeitskollegen mit Rosen Spalier und das Paar musste seine Künste im Wäsche aufhängen unter Beweis stellen.

    Typische Hochzeitsspielchen

    Die Hochzeitsfotos waren zu diesem Zeitpunkt schon im Kasten, die Hochzeitstorte wartete im Aubstädter Musikheim auf die Gäste. Gefeiert wurde mit den typischen Hochzeitsspielchen und bei Tanz bis in die Morgenstunden. Weit nach Mitternacht zu Haus angekommen, musste das Paar im Schlafzimmer allerdings erst einmal zahlreiche Luftballons aus Bettbezügen klauben.

    Dass zwischen Ehe und Verpartnerung auf dem Papier durchaus noch ein Unterschied besteht, stört Dahmane und Scheller nicht wirklich. Nachdem die Ehe für alle Ende Juni im Bundestag verabschiedet wurde, sagten sie natürlich: „Das wollen wir auch.“ In der Praxis gestaltete sich das allerdings gar nicht so einfach. „In Frankreich sind sie noch nicht so weit“, so Dahmane. Ein entsprechendes Papier fehlte. „Hätten wir darauf gewartet, wäre die Zeit vielleicht knapp geworden.“

    „Die Einladungskarten waren doch schon raus“, so Scheller. Am Ende wurden sie nicht die ersten, die die Ehe für alle schlossen, sondern die letzten, die sich in Rhön-Grabfeld noch verpartnerten. In Kürze wollen sie ihre Verpartnerungs-Dokumente aber auf die Ehe für alle umschreiben lassen. Dann sind sie auch offiziell, als was sie sich längst fühlen: verheiratet.

    Noch kein Antrag auf die Ehe für Alle Viele gleichgeschlechtliche Paare haben lange für diesen Tag gekämpft – im Landkreis Rhön-Grabfeld jedoch verlief der Start der Ehe für alle am 1. Oktober fast unbemerkt. Zwar liegen vereinzelt Voranfragen zur Ehe für alle vor, so die Leiter der Standesämter im Landkreis auf Anfrage. Konkrete Anmeldungen oder gar Vollzug kann aber bislang keines der fünf Standesämter vermelden. Dabei ist die spontane Vermählung durchaus möglich. „Hat das Paar alles dabei und liegt keine Auslandsbeteiligung vor, klappt das im Notfall noch am selben Tag“, berichtet Gabriele Münch, die als Leiterin des Standesamtes Bad Neustadt für den kompletten Altlandkreis Bad Neustadt, also etwa 43 000 Menschen, zuständig ist. In der Regel werde eine Eheschließung aber durchaus länger geplant. „Nur weil sich ein Gesetz ändert, gehe ich nicht plötzlich die Ehe ein“, glaubt Münch. Zumal der Herbst auch bei heterosexuellen Paaren nicht die Hochzeit für Hochzeiten sei. Länger als ein halbes Jahr vorher könne man eine Heirat gar nicht anmelden. Sie ist zuversichtlich, dass mit dem Sommer auch die gleichgeschlechtliche Ehe in Rhön-Grabfeld Einzug hält. IR

    „Nur weil sich ein Gesetz ändert, gehe ich nicht plötzlich die Ehe ein“

    Standesamtsleiterin Gabriele Münch über die bislang fehlenden gleichgeschlechtlichen Eheschließungen

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