Die Möglichkeit, dass ein Nationalpark Rhön kommt, ist gestiegen. Nicht nur, dass sich der Bezirksverband der unterfränkischen CSU vor einigen Tagen gegen den Spessart (wir berichteten) ausgesprochen hat, auch beim zweiten Schritt des Dialogprozesses in der Rhön, dem Verbandsgespräch machte ein möglicherweise mitentscheidender Akteur deutlich, dass die Rhön gegenüber dem Spessart deutliche Vorteile hat: Martin Neumeyer, der Vorstandsvorsitzende der bayerischen Staatsforsten.
100 Demonstranten
Dass das Thema Nationalpark dennoch in der Rhön nicht unumstritten ist, war Ulrike Scharf bewusst. Deshalb kam die bayerische Umweltministerin auch früher als vorgesehen nach Burglauer (Lkr. Rhön-Grabfeld), wo sie sich mit Verbandsvertretern traf, um sich über die Vor- und Nachteile eines Nationalparks Rhön auszutauschen. Sie wollte eine halbe Stunde Zeit haben, um mit den rund 100 Rhöner Landwirten, Waldarbeitern, Holzrückern, Jägern oder auch Windkraftgegnern zu diskutieren, die teils lautstark gegen einen Nationalpark in der Rhön beziehungsweise gegen "eine katastrophale Natur- und Artenschutzpolitik im Zusammenhang mit Windkraftgebietsausweisungen" im nahen Grabfeld protestierten.
Die nutzten die Gelegenheit ausgiebig, der Ministerin ihre Sorgen über die Auswirkung eines Nationalparks auf die Arbeitsplätze in der Wald- und Holzwirtschaft oder die Landwirtschaft zu erläutern.
Sachliche Diskussion
Ähnlich sachlich und kontrovers wie vor der Veranstaltungshalle verlief dann auch die vierstündige Diskussion mit rund 50 Vertretern von Landwirtschaft, Papierindustrie, Holzwirtschaft, Jagd, Touristikern oder Naturschutzverbänden.
Während die Ministerin mit Verweisen auf die Erfolge der anderen beiden bayerischen Nationalparks für ihr „Premiumangebot“ eines Nationalparks als einmaliger Chance für Rhön warb, zeigten sich vor allem Bauern- und Jagdverbände sowie Vertreter der Holzwirtschaft skeptisch. Landwirte und Jäger befürchteten weitere Einschränkungen und zum Beispiel eine noch weiter wachsende Wildschweinproblematik, während nach Ansicht der Holzwirtschaft massive Umsatz- und Arbeitsplatzverluste drohen. Die Gewinne an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen im Tourismus blieben im Vergleich dazu relativ gering.
Hohe Wertschöpfing
Das wiederum sahen Touristiker oder Naturschützer völlig anders. Auch die Ministerin sprach von drei Millionen Besuchern und einer Wertschöpfung von 170 Millionen Euro pro Jahr in den beiden bestehenden Nationalparken sowie 290 Arbeitsplätzen alleine in den Verwaltungen dort. Franz Leibl, der den Nationalpark Bayerischer Wald leitet, ergänzte, dass allen Mitarbeitern der darin aufgegangenen Forstämter ein Arbeitsplatz beim Nationalpark angeboten worden sei. Dennoch, so Ulrike Schar, sei der Erhalt der Arbeitsplätze ein zentrales Thema und solle in einer Studie über die Auswirkungen eine Nationalparks einer der Schwerpunkte sein.
Beim Thema Jagd verwies die Ministerin auf das Beispiel Harz, wo im Nationalpark mehr als 300 private Jäger für die Umsetzung des Wildtiermanagements sorgen. Dass dies allerdings Veränderungen in der Jagdpraxis bedeuten könnte, sei klar.
Rhön gut geeignet
Dann das Statement von Martin Neumeyer. Der Chef der Staatsforsten hatte für das Umweltministerium einiges an Kartenmaterial zusammenstellen lassen, aus dem hervorgehen soll, dass die Rhön und ihre Staatswälder für einen Nationalpark geeignet sind. Als einen entscheidenden Unterschied zum Spessart führte er an, dass die Zahl von 20 Forstrechten, sechs Brennholzrechten und einem Weiderecht in der Rhön minimal im Vergleich zum Spessart mit etwa 2000 solcher Rechte ist. Die Rhön mit ihrer vielfältigen Geologie und der davon bedingten Standortvielfalt bei Bäumen, der Vielzahl an Tier und Pflanzenarten sah er als naturschutzfachlich gut geeignet für einen Nationalpark. Besondere Hinderungsgründe wie im Spessart seien in der Rhön nicht feststellbar, betonte Neumeyer.
Dass sie selbst noch keine Entscheidung für oder gegen einen Nationalpark Rhön getroffen haben, machten die beiden betroffenen Landräte Thomas Bold (Bad Kissingen) und Thomas Habermann (Rhön-Grabfeld) deutlich. Davor seien noch sehr viel tiefergehende Klärungen einiger Fragen nötig, forderte auch Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner (CSU).
Dialog in die Breite tragen
Mit der Ministerin waren sie sich einig, dass der Dialogprozess ergebnisoffen weitergeführt werden soll. Erst wenn alle Punkte abgewogen seien, könne Entscheidung getroffen werden. Jetzt soll die betroffene Bevölkerung in einem erweiterten Dialog informiert werden. Es besteht die Möglichkeit des Umweltministeriums in die Region einzuladen, um in Gemeinderatssitzungen oder Bürgerversammlungen über den möglichen Nationalpark zu informieren. Wie und wann das passiert, liege in der Zuständigkeit der Landkreise.
Ein Datum aber steht. Wie die Umweltministerin deutlich machte, soll die Entscheidung, wo der Nationalpark entstehen wird, bereits bis Ende Juli gefallen sein.