Die Wanderausstellung "Mitten unter uns" spiegelt jüdisches Leben in Unterfranken und zeigt auf, was diese Mitbürger – solange sie nicht verfolgt wurden – auf wirtschaftlichem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet geleistet und wie sie das Leben in der überwiegend ländlichen Region mitgeprägt haben. Die Ausstellung wurde am Montag offiziell eröffnet, Kreisheimatpfleger Reinhold Albert, der bereits ein Buch über die Juden im Grabfeld schrieb, hielt einen kleinen Vortrag.
Dr. Rotraud Ries hat die Ausstellung zusammen mit dem AK "Landjudentum in Unterfranken" und mit Unterstützung vieler Heimatforscher konzipiert. Sie entstand anlässlich des Festjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" und ist schon an mehreren Orten gezeigt worden, darunter in Wechterswinkel.
Interessant für die ortsansässigen Betrachter sind besonders die Spuren der jüdischen Gemeinde in Bad Königshofen und Umgebung. Reinhold Albert erwähnte die Synagoge, die in der Reichspogromnacht 1938 zerstört und 1951 zum Abbruch verkauft wurde. Zeichen jüdischen Lebens sind bis heute mehrere Friedhöfe, die noch erhalten sind, zum Beispiel in Bad Königshofen und Kleinbardorf. Die Geschäfte, die einst das Marktplatzbild in Königshofen mitgeprägt haben, sind in andere Hände übergegangen, teilweise wurden sie verkauft, um Auswanderungen zu finanzieren.
Entrechtet und enteignet
Wie Albert erwähnte, lebten 1933 unter den 1944 Einwohnern der Stadt 94 jüdische Mitbürger. Aufgrund der antisemitischen Hetze und Beschränkungen emigrierten die meisten zwischen 1933 und 1938. Laut Statistik verließen 69 Juden Königshofen, davon wanderten 32 aus, hauptsächlich in die USA, 38 zogen in andere deutsche Städte. 13 weitere wanderten nach Kriegsausbruch aus, sodass 1940 nur noch 16 Juden in Könighofen lebten. Die letzten – entrechtet und enteignet - wurden nach Kleineibstadt verwiesen und schließlich nach Izbica bei Lublin deportiert und ermordet.
Insgesamt wurden von den in Königshofen geborenen oder für längere Zeit ansässigen Juden ungefähr 40 ermordet. Lediglich ein jüdischer Mitbürger überlebte die Nazi-Zeit: Stanislaus, ein polnischer kriegsgefangener Jude wurde vom Ehepaar Johanna und Eduard Haßmüller versteckt.

Alltag, Berufe und Gebräuche
Bürgermeister Thomas Helbling wies darauf hin, dass jüdisches Leben seit 321 auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands nachgewiesen ist. Die Ausstellung zeige ihren Alltag, Berufe und Gebräuche, sie sei wichtig gegen Vorurteile und Gerüchte gegenüber dem Judentum. Er wies darauf hin, dass Albert Malzer (1912 bis 1924) und Karl Einstädter Mitglieder des Stadtrates waren. Über Antisemitismus dürfe man nicht schweigen, deshalb seien Projekte wie dieses so wichtig.
Dass die Juden schon im Mittelalter als Sündenböcke herhalten mussten und verdächtigt wurden, sobald man sich ein Ereignis nicht erklären konnte, erfährt man beim Betrachten der Ausstellung, die mit Texten und Fotos viele Informationen liefert, wie Landrat Thomas Habermann in seiner Ansprache erwähnte.
Das Thema Antisemitismus beschäftige die Gesellschaft immer wieder, wie die jüngsten Ereignisse (Überfall auf einen kippatragenden jungen Mann in Köln) zeigten. Diese Generation trage keine Schuld am Holocaust, meinte Habermann, habe aber die Aufgabe, Toleranz anzumahnen und die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Würde des Menschen sei unantastbar, das stehe in der Verfassung und müsse auch umgesetzt werden.
Renate Knaut, Mitarbeiterin beim jukunet (Netzwerk für Jugendkultur) und bei der Vhs Rhön und Grabfeld, informierte über die Synergieeffekte, zum Beispiel haben sich Jugendliche mit dem Thema näher befasst (wir berichteten). Die Ausstellung ist zu den normalen Öffnungszeiten der Museen zu besichtigen, täglich 14 bis 17 Uhr, Montag ist Ruhetag. (regi)
Zwei VorträgeBegleitend zur Ausstellung gibt es zwei Vorträge im Kulturarsenal Alte Darre, Elisabethastraße, Bad Königshofen: 18. Oktober, 19 Uhr, Dr. Rotraud Ries spricht über "Landjudentum im Grabfeld", am 25. November, 19 Uhr, referiert Kreisheimatpfleger Reinhold Albert zum Thema "Judentum in Königshofen".Quelle: regi