Wie kämpft man gegen einen Feind, gegen den man eigentlich nicht kämpfen kann? Gegen eine Krankheit, die immer neue Finten ins Feld wirft, die nie nachgibt, so sehr man sich auch gegen sie wehrt. Kersten Keller-Pallor, Kulturmanagerin des Landkreises Rhön-Grabfeld und früher gefeierte Opernsängerin, hat es mit unbändigem Willen, schierer Energie und allem, was die Medizin an Mitteln zur Verfügung hat, versucht. Jahrelang. Am Donnerstag hat sie den Kampf im Alter von nur 51 Jahren verloren.
Als Kersten Keller-Pallor vor sieben Jahren der neu gegründeten Kulturagentur des Landkreises ein Gesicht gab, schien die Aufgabenstellung der Quadratur des Kreises nahezukommen. Es galt, die vielfältigen Kultureinrichtungen und Veranstaltungen zu vernetzen, ein gemeinsames Programm zu erstellen und dazu noch neue Kulturzentren wie das Bruder-Franz-Haus auf dem Kreuzberg oder das Kloster Wechterswinkel mit Leben zu füllen. Kersten Keller-Pallor hat diese große Aufgabe gemeistert, heute ist die Kulturagentur, die sie gemeinsam mit Astrid Hedrich-Scherpf managte, nicht mehr wegzudenken aus dem öffentlichen Leben des Landkreises.
Ein Mensch der Kultur und vor allem der Musik, das war Kersten Keller-Pallor. Am 6. Oktober 1961 geboren, wuchs sie in Würzburg auf. Dort studierte sie Gesang, später noch in Mannheim, dazu Germanistik und Musikwissenschaft. Schon bald wurde die Stimme der Sopranistin bekannt, auch international. 1990 wurde sie als lyrischer Koloratursopran am Südthüringischen Staatstheater Meiningen engagiert, wo sie in über 40 Partien auf der Bühne stand. Ihre „Zerbinetta“ (1995) in der Regie von Kammersängerin Brigitte Fassbaender fand deutschlandweit großes Interesse.
In den Jahren 1998 und 1999 gastierte sie mehrmals als „Martha“ in der Loriot-Inszenierung am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz und im Prinzregenten-Theater. Der Chef-Dramaturg der Wiener Staatsoper, Marcel Prawy, bezeichnete Kersten Keller-Pallor als beste „Martha“-Interpretin der letzten 25 Jahre. An der gefeierten Meininger „Ring“-Inszenierung von Christine Mielitz war sie mit den Partien der „Woglinde“ und der „Helmwige“ beteiligt.
Neben der eigenen künstlerischen Karriere widmete sich Kersten Keller-Pallor auch der musikalischen Ausbildung. Sie gründete ihr „Musikstudio Kersten Keller“ zu Hause an der Stadtmauer in Mellrichstadt. Gemeinsam mit ihrem Mann Heinz Pallor war sie ebenfalls auf der Bühne zu sehen, unter anderem in Haydns „Schöpfung“ im Jahre 2004.
Zwei Jahre später trat Kersten Keller-Pallor kürzer in Sachen Gesang. Die Kulturagentur des Landkreises wollte mit Leben gefüllt werden. Sie war die künstlerische Leiterin des Salzburg-Klassikers in Bad Neustadt in den Jahren 2007, 2009 und 2011.
Schon von der Krankheit gezeichnet, trat sie in den vergangenen Jahren noch an den Bühnenrand, überreichte Blumen für die Künstler im Kreiskulturzentrum in Wechterswinkel und moderierte – sichtlich geschwächt – die Mellrichstädter Musiknacht 2012. Natürlich hat sie dort moderiert. Schließlich war die aufspielende Junge Philharmonie Rhön-Grabfeld ebenfalls eines der Werke, das ohne sie nicht entstanden wäre. Der aktuelle Kulturkalender des Landkreises, das Programm der Italienischen Nacht beim Salzburg-Klassiker Ende Juli – Kersten Keller-Pallor hat, bis es gesundheitlich überhaupt nicht mehr ging, gearbeitet und gerackert für die Kultur in ihrer Heimat.
Am 18. April ist Kersten Keller-Pallor früh morgens an Krebs gestorben. Ihr Mann Heinz war bei ihr, in den letzten Wochen wie in den letzten Stunden in der Palliativstation der Kreisklinik Bad Neustadt.
Das Requiem für Kersten Keller-Pallor ist am Dienstag, 23. April, um 14 Uhr in der Pfarrkirche St. Kilian in Mellrichstadt. Stefan Kritzer