Die Kulturwerkstatt will aus dem Bildhäuser Hof eigentlich gar nicht mehr raus. Kleinkunst eben, nicht die große Bühne der Stadthalle. Für Kabarett-Gentleman Hagen Rether machten die Veranstalter nun eine Ausnahme, damit richtig viel Publikum zum Zuhören kommen konnte. Und das Publikum kam zum Zuhören, denn zum Zuhören gab es eine Menge. Eine ganze Menge sogar.
Manche Dinge ändern sich nie. Das mag zwar ein reichlich abgedroschener Sinnspruch sein, doch auf Hagen Rether trifft er zu. Jedenfalls was sein Sitzvermögen am Flügel anberaumt. Rether kommt auf die Bühne, nimmt Platz und steht erst lange Zeit später wieder auf. Lange Zeit später, sehr lange Zeit später sogar. Bis Mitternacht und sogar ein paar Minuten länger dauerte der jüngste Auftritt des Kabarettisten in der Stadthalle vor gut 400 Gästen.
Der Kulturwerkstatt prominentestes Mitglied gab sich nach sieben Jahren Abstinenz mal wieder die Ehre, in Bad Neustadt zu spielen. „Damals noch in der alten Stadthalle“, sagte Hagen Rether und geizte nicht mit Lob für das nunmehr neue Veranstaltungszentrum. Rether ist tatsächlich Mitglied in der Kulturwerkstatt. Vor zwölf Jahren gefiel ihm nach einem Auftritt die Arbeit der Kulturmenschen in Bad Neustadt so gut, dass er zum Kuli und zum Beitrittsformular griff.
Seitdem hat sich in seinen Programm inhaltlich viel, äußerlich aber kaum etwas geändert. Der schwarze Anzug, der Pferdeschwanz, Bananen auf dem Klavier, eine Flasche Mineralwasser, ein Bürostuhl. Rether bleibt sich treu, auch was den Programmtitel anberaumt. „Liebe“ lautet dieser schon immer und immer wieder neu. Und wie immer greift er erst ganz am Ende in die Klaviertasten.
Wenn Hagen Rether am Flügel Platz genommen hat, dann geht es nüchtern, sachlich in seinem Programm voran. Die Gesellschaft, die Politik, die Flüchtlinge, die Umwelt, die Linken und die Grünen, die Vegetarier und das Internet sind Themen die er genüsslich seziert. Seinem Publikum den Spiegel vorhalten? Aber gerne! „In Schwäbisch Hall machen sie Vorhängeschlösser an die Gelbe Tonne, damit der Nachbar nichts reintun kann.“ Oder in Sachen World Wide Web. Das Internet hat die Menschheit längst überholt, Otto Normalverbraucher kommt da schon lange nicht mehr mit. „Als hätte ein Neandertaler ein Laserschwert“, so Rether. Mit siebzehn Abitur? „Was soll das? Menschen werden heute 100 Jahre alt!“
Dabei geht es uns in der westlichen Welt so gut wie nie zuvor. „Wir wissen nicht, mit welcher Hand wir uns die goldenen Löffel aus dem A... ziehen sollen“, ätzt Rether. Was allerdings nicht bis in alle Ewigkeiten so weitergehen kann und muss. „Wenn wir nicht von unserem hohen Ross runterkommen, werden wir abgeworfen. Brennt ein Flüchtlingswohnheim, regt sich niemand mehr auf. Aber wehe wenn die Klimaanlage im ICE nicht funktioniert.“
Den ein oder anderen Ausflug in die hohe Politik unternimmt Rether natürlich auch: „Trump und Merkel? Das ist wie Klassenschläger und Vertrauenslehrerin.“ Und Obama gab es gar nicht wirklich. „Das war der Wallraff!“
Um uns und Hagen Rether herum ist alles kompliziert geworden. Vielleicht sind Dinge, die wir sowieso nicht ändern können, doch nicht so verkehrt. So wie Rether auf dem Bürostuhl am Klavier, mit Bananen, Mineralwasser und so weiter. Und was? Wir können die Welt doch eh nicht retten? „Ja, wer den sonst!“ Vielleicht müssen sich doch Dinge einfach mal ändern.