„Uns trifft es genauso wie den Rest der deutschen Wirtschaft.“ Del Rio spricht von den rund 470 Mitarbeitern von Paul & Co in Oberwildflecken. In dem Werk arbeiten etwa so viele Menschen, wie im Ort leben. Die meisten Paulaner kommen aus einem Umkreis von 15 bis 20 Kilometern rund um den Kreuzberg, sagt Fuchs, der selbst aus Oberbach stammt und seit 20 Jahren im Unternehmen ist.
Kurzarbeit hat Fuchs bisher nur einmal erlebt, vor sieben Jahren etwa, da waren rund 70 Kollegen für einen Monat betroffen. Zum 1. April 2009 ist die Firma in den gewerblichen und technischen Bereichen in die Kurzarbeit gestartet. Seit Mai ist auch der kaufmännische Sektor betroffen und damit alle der rund 470 Mitarbeiter, bis auf die 33 Auszubildenden in Oberwildflecken. Die Maßnahme ist bei der Agentur für Arbeit für 24 Monate angemeldet.
„Das ist jetzt kein Spaß mehr“, sagt Personalchef del Rio und fügt an: „Es ist kein Licht am Ende des Horizonts zu erkennen.“ Das Unternehmen arbeitet für nahezu jede Branche, denn fast jedes Produkt kommt im Lauf der Entstehung mit einem Material in Berührung, das von einer Papierhülse abgewickelt wurde. Fäden und Stoffe laufen von Papierhülsen, bevor sie zu Kleidern werden, Druckpapier für die Zeitung braucht eine Hülse, auch Toilettenpapier und Gewürzspender. Die Technik von Paul & Co lässt hochwertige Hülsen entstehen, auf die Kupfer- oder Platinfolie aufgewickelt wird: Wenn tausend Umdrehungen Folie auf der Hülse sind, ist die Folienschicht gerade mal einen Millimeter stark. Das zeigt, wie exakt und fein gearbeitet werden muss.
Paul & Co fertigt Behältnisse für Arzneimittelrohstoffe, auch Wellpappe und Winkelschutz für alles, was sicher transportiert werden soll. Alufolie und Klebefilm rollen von Paul & Co-Hülsen. Mehrere tausend Kunden kaufen bei dem Oberwildfleckener Unternehmen, das 1893 gegründet worden war und zur Kunert-Gruppe mit weltweit 16 Werken angewachsen ist.
Die vielen verschiedenen Kunden und mehrere tausend Produkte helfen nicht, sich die Krise vom Leib zu halten. „Es gibt Kunden, die sagen: Selbst wenn ihr mir die Hülsen schenken würdet, ich habe keine Aufträge“, berichtet del Rio. Dabei war im August noch von Vollbeschäftigung und sogar von neuen Einstellungen gesprochen worden. Im Oktober begann der Einbruch in Asien und kam dann nach Europa, „in einer Wucht“, die nicht auszudenken war. 90 Prozent der Branchen, für die Paul & Co arbeitet, lägen am Boden.
Jetzt geht alles sehr kurzfristig. In dieser Woche war viel zu tun, nächste Woche sieht es schon wieder anders aus. Wurden in guten Zeiten zwischen 70 und 80 Lastwagen pro Tag auf dem Firmengelände be- und entladen, sind es momentan deutlich weniger, vielleicht auch mal nur zehn oder 20.
Dennoch scheinen die beiden Personalleiter Ruhe zu bewahren. Sie vertrauen darauf, dass die Wirtschaft wieder anzieht. Und sie vertrauen auf die Firmenleitung. Geschäftsführer Manfred Kunert fühle sich der Region und den Menschen verpflichtet. Er habe die Belegschaft „in guten wie in schlechten Zeiten behalten“, sagt del Rio. Das zeige sich auch daran, dass heuer wieder mehr als 60 Paulaner für Betriebszugehörigkeit von 25 und 40 Jahren geehrt werden.
Betriebsrat und Belegschaft tragen die Kurzarbeit mit, sagen die Personalleiter. Ähnlich wie bei GKN Sinter Metals in Bad Brückenau, deren rund 500 Mitarbeiter seit November in Kurzarbeit sind, gibt es auch für die Mannschaft von Paul & Co Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit. Derzeit würden etwa zehn Prozent weniger gearbeitet. Die Schichten sind verkürzt, „wo nötig, fallen auch mal ganze Tage aus“, erklärt Fuchs.
Außerdem werden etwa 30 von 44 älteren Mitarbeitern das Angebot der Altersteilzeit annehmen. Da gehe es aber nicht um Stellenabbau, sagt del Rio. Das Unternehmen wolle Möglichkeiten für junge, selbst ausgebildete Kräfte schaffen.
Vor etwa 30 Jahren hatten an die 600 Menschen bei Paul & Co in Oberwildflecken gearbeitet. Damals war noch sehr viel Handarbeit, vieles haben Maschinen übernommen, die zum Großteil in Oberwildflecken selbst konstruiert werden. Deswegen darf man auch als Nicht-Paulaner nicht ins Werk.