Obwohl Oertel 2003 mit Götz George im klug durchdachtem und mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Fernsehspiel "Familienkreise" bestach, wird ihn wohl die Beziehungs-Horrorkomödie "Bis in die Spitzen" zum Pop-Star machen. "Es geht mir nicht darum, in Cafés erkannt zu werden. Ich darf im schönsten Beruf der Welt arbeiten. Ich mache das, was ich immer machen wollte - und kriege dafür auch noch Geld. Ich bin glücklich."
Kinderstar verließ Gymnasium
So sorgenfrei war der Plan vom Glück für den Rhöner Jungen nicht immer. Am Würzburger Theater am Neunerplatz war er das, was man einen Kinderstar nennt. Nur in Franken, da macht man das mit keinem, der in "Marmelade für Pu-Ding" die anderen an die Wand spielte.
In der Elften schmiss er das Gymnasium in Würzburg. "Meine Mutter war froh, dass dieses Drama ein Ende hatte", grinst er. Und als er im ersten Anlauf auf der Essener Folkwang-Schule von 800 Bewerbern einen der sechs Plätze bekam, "da hatte auch mein Vater einen Gradmesser".
Die Arbeit an der Schule hat das Handwerk perfekt gemacht, die Liebe zur Schauspielerei aber auf die Kippe gestellt. "Da werden elitäre Profilneurotiker gezüchtet. Bei mir hat's zum Glück ein Freund bemerkt, als ich nur noch schwarze Rollkragenpullover und Leinen-Sakkos trug und mit Brille ausgesehen hätte wie Heiner Müller."
Der Freund verankerte ihn wieder in der Realität. "Wir haben als Zweimann-Firma Altbauten saniert - eine Arbeit, auf die ich heute noch stolz bin." Auch wenn er Gastspiele wie im "Kanzleramt" (ZDF) als peruanischer Terrorist hat oder in "Wolffs Revier" den Bösen und in "Experiment Bootcamp" den miesen Aufseher mimt, erinnert er sich zwangsläufig oft an die Von-der-Hand-in-den-Mund-leben-Zeit: "Den Empfangstresen einer Firma in Berlin, wo Filme bearbeitet werden - den habe ich damals gebaut."
Umzug nach Berlin also, es fehlte ein Job. "Ich besuchte sogar ein staatlich unterstütztes Seminar für arbeitslose Schauspieler. Das Beste daran war, dass ich dort meine Freundin Wicki kennenlernte." Neben dem Theater erste TV-Auftritte. An einen in einer Serie will er nicht mehr erinnert werden. Er drückt eine Zigarette aus, zündet die nächste an, grinst: "Ich sagte zu einem Freund: Wenn du ein wirklicher Freund bist, dann schaust du dir das nicht an. Er tat's nicht - bis heute."
Mit "Familienkreise" gelang der Sprung in die A-Liga. Als Götz Georges Film-Sohn Mirko stand er dem Großen in nichts nach. Mit Kollege Stipe Erceg ("Die fetten Jahre sind vorbei") wird er von der gleichen Agentur betreut, Konkurrenz gibt's keine: Erceg ist der verhauene, verschlossene Autoschieber, Oertel wahlweise Macho, Problemkind oder Womanizer. Nun also Serien-Star neben Ralph Herforth, Muriel Baumeister und Jeanette Hain ("Sass").
Seitdem fühlt sich Tobias Oertel ein wenig wie im Himmel: "Das einzige, was ich an Drehtagen selbst mache, ist, mich anzuziehen und mir die Zähne zu putzen - man pudert dir den Hintern", schmunzelt Oertel über die Angst der Produzenten vor schlecht gelaunten Schauspielern. Keine Sorge: "Letzten Endes bin ich doch gut erzogen. Ich weiß, wie privilegiert ich bin, das ist ein Geschenk." Unsicher war er. "Herforth und Baumeister - das sind große Namen." Aber nach einer Woche wusste er: "Ich kann das."
Der 13-Teiler kommt von BBC, England. Der Sarkasmus im Original kam dort so gut an, dass für eine Fortsetzung demonstriert wurde. Ob das auch für Deutschland gilt, wird sich zeigen. In zwei Frisör-Salons öffnen sich alle möglichen und unmöglichen menschlichen Abgründe, sobald die Tür-Glocke bimmelt. Wer die ersten zwei Folgen und das Wirrwarr - wer mit wem und warum ist es auf einmal große Liebe, wieso ist eine Schwester dunkelhäutig und warum ist die Auflösung so plump, mit wem war Herforth schon im Bett - wer das übersteht und sich auf die irrwitzigsten Konstruktionen einlässt, der hat nach Folge 4 nur noch eine Frage: Wie geht's weiter? Tobias Oertel: "Unmoralisch. Wie das Leben."
Zur Person
Tobias Oertel
Geboren 1975 in Werneck (Lkr.
Schweinfurt), wuchs Oertel in
Münnerstadt auf. Umzug nach
Würzburg mit zwölf. Schauspiel-
ausbildung an der Folkwang Hoch-
schule in Essen, Abschluss 1999,
seither freischaffender Schauspie-
ler. Aus seinem Schauspieler-Steck-
brief: Größe 185 Zentimeter. Haar-
farbe braun. Augenfarbe braun.
Sprachen: Englisch. Dialekte: Frän-
kisch. Führerschein: Klasse III. In
der Serie "Bis in die Spitzen"
(immer montags, 2115 Uhr auf
Sat.1, Start heute), spielte er den
Partner von Niki (Jeanette Hain).