Als ich beim Recherchieren im Internet auf einen dieser nervigen Werbebanner (neudeutsch für Werbefeld) stieß, wurde ich hellwach: Sony Ericsson (führende Handymarke) und die beiden Online-Sportportale Sport 1 und Spox suchten den Fan-Reporter für die WM 2010 in Südafrika. Anforderungen: Man sollte sich mit einigen Videos, Bildern und Kommentaren im Internet einer Abstimmung stellen, aus der dann die besten 10 von anfänglich 1100 Kandidaten zum finalen Casting nach München eingeladen werden sollten.
Sofort animierte ich meinen kompletten Bekanntschaftskreis, für mich zu stimmen und lud ein paar lustige selbstgemachte Videos hoch, die meines Erachtens auf jeden Fall bei den Konkurrenten mithalten konnten.
Nachdem die Anmelde- und Aktualisierungsfrist abgelaufen war, gingen die Tage ins Land und jeder Tag ließ das „Fan-Reporter-Ding“ mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Und dann, eine Woche vor dem Casting-Termin, der Anruf: „Du bist dabei, pack' deine Koffer!“
Wie ich mich da freute! Ich konnte es kaum glauben. Du hast 1090 Kandidaten hinter dir gelassen und bist fast in Südafrika!
Doch die Freude wurde noch getoppt, als ich nach endloser Zugfahrt in Münchens-Airport fragte, wo denn das Kempinski-Hotel sei. Da lächelte mich die nette Frau am Infostand an und sagte mit einem Augenzwinkern: „ Das hier ist schon das Kempinski.“ Also drehte ich mich um. Plötzlich sahen mich zwei riesige, schwarze Kästen und drei Leute neugierig an - es waren Kameras samt Bedienpersonal.
Naja, was soll ich lang erzählen? Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich war so nervös wie wohl nicht einmal kurz vor meinem Abitur. Ich wusste wohl, das dies der Schritt in das Genre meiner Träume sein könnte. Wenn du wie ich von Kindheitsbeinen an davon träumst, einmal im Stadion deine Stars zu kommentieren oder darüber zu schreiben, wie ein Bastian Schweinsteiger den Weltmeisterpokal in Empfang nimmt, dann ist das die Chance.
Genau dieser Gedanke verfolgte mich von Freitag Abend bis Sonntag Mittag und wurde auch nicht verringert, als die Chefs der drei großen Unternehmen verkündeten: „Der Gewinner fliegt mit Jogi Löws Mannschaft ans Kap.“ Oder: „Du berichtest für die deutschen Fans vom größten Turnier der Welt.“
Irgendwie war dann schon klar, dass ich meine, für mich gewohnte „Leichtigkeit und Unbekümmertheit“, nicht wirklich an den Tag legen konnte. Denn die nächsten Challenges (Wettbewerbe) standen längst an. So gab es Aufgaben wie Improvisieren, was man wohl kurz vor dem Eröffnungsspiel der WM sagen würde. Oder man musste am Moderationstisch im Sport-1-Studio einen mehr oder minder unglaublich schweren und fremden Text vorlesen und sich dabei aber immer mit dem Gesicht zur Kamera präsentieren.
Am Samstag Nachmittag durften wir in der Münchner Allianz-Arena einen Film drehen und uns eine VIP- Führung, von der man bei der Filmdreh-Arbeit kaum was mitbekam, genießen. Das Challenge-Highlight bildete das Interview mit Oliver Schwesinger, der sich in Sport-1-TV (ehemals DSF) neben Jörg Wontorra und als Moderator mit eigener Sendung einen Namen gemacht hat.
Für mich war der Freitag Abend am schlimmsten, denn ich machte mir vor Aufregung fast in die Hose und hatte das doofe Gefühl, dass man das hinter der Kamera bemerken könnte. Nach kurzem Feedback der anderen Kandidaten, die im Gegensatz zu einem Model-Casting einer gewissen Heidi Klum eine homogen „Einer-für-Alle, Alle-Für-Einen-Einheit“ bildeten, hatte ich mir umsonst Sorgen gemacht. Trotzdem beschloss ich für mich, jetzt jede Nervosität abzuschütteln und positiv aufzufallen – um jeden Preis! So meisterte ich die Aufgaben meines Erachtens relativ erfolgreich und ich schlug mich beachtlich.
Das Highlight des Samstags stand aber noch auf dem Programm: Es hieß, wir sollen uns in festlicher Kleidung vor dem Fünf-Sterne Hotel versammeln und auf die Fahrgelegenheit warten. Was dann kam, war geil: Zehn aufgeregte junge Leute und drei Begleiter wurden Zeuge folgenden Szenarios: Zwei riesige Limousinen fuhren die Einfahrt herein, gefolgt von einigen Schaulustigen. Wir warteten gespannt, welcher Promi denn da aussteigen sollte. Doch nachdem die Türen offen waren und kein Star zum Vorschein kam, war uns bewusst: Heute Abend sind wir die Stars!
Die „Limo“ fuhr uns in die Nobeldisco „P1“, in der bekannte Namen wie Oliver Kahn einkehren und man auf Promis mit Partylaune hoffen durfte. Kurzum: Langer Abend, kurze Nacht: Sehr geil!
Am Sonntag Morgen warteten dann in der Krombacher-Doppelpassrunde die begehrten Sitzplätze hinter Jörg Wontorra und Udo Lattek auf uns. Das war so spannend, dass ich in der ersten Pause bei mir zu Hause anrufen musste, ob man mich denn sehen kann. „Du warst immer hinter dem Moderator gesessen, frag doch mal, ob du nicht mit dem neben dir Plätze tauschen kannst, denn der ist immer im Bild.“ Lustig was? Mir war das egal, nachdem ich mit meinem Dortmunder Idol Michael Zorc und Fan-Reporter-Mitkandidatin Anuscha noch ein Bild machen durfte, war mir klar: Egal was kommt, du hast viel und wahnsinnig tolle Sachen erlebt. Das nimmt dir keiner mehr!
Am Sonntag Nachmittag musste Ich nochmal zum Rapport und ein kurzes Feedback geben. Ich verließ das Kempinski-Hotel mit dem Gefühl, dass ich einen guten Eindruck hinterlassen hatte und unser heimatliches Grabfeld gut repräsentiert hatte. Danach trug mich die Euphorie mit der Bahn wieder ins gute alte Grabfeld, wo mich meine glückliche Familie mit offenen Armen begrüßte.
Anschließend verging die Zeit sehr, sehr langsam. Es waren zwei Tage, bis plötzlich mein neues Handy klingelte. Die Nachricht war niederschmetternd: „Wir haben uns nicht gegen dich, sondern für vier andere entschieden.“
Meine Umgebung fing mich auf wie eine Wolke. Ich war zwar darüber enttäuscht, aber ich verarbeitete das Erlebte mit den Worten meiner Mutter: „Südafrika ist eh viel zu gefährlich“ und dem schlauen Spruch: „Du hast das geschafft, wovon viele 1000 andere nur träumen.“