Was wird aus der Stadt? Was lockt die Menschen in die Stadt? Wie erreichen sie die Stadt? Wie erleben sie die Stadt? Und: Womit wird noch Geld verdient? Fünf Fragen, deren Antworten richtungsweisend für die Zukunft Mellrichstadts sein werden. Kurzum: So sind diese ein Wegweiser mit Blick auf die Stadtentwicklung 2035.
Als wichtigen Schritt hatte Bürgermeister Eberhard Streit dazu im Stadtentwicklungsausschuss einen Impulsworkshop – eine Art Kursbestimmung – initiiert, dem eine gemischte Schar von Akteuren gefolgt war. Neben den Stadträten vor allem zahlreiche Kandidaten, die sich bei der Kommunalwahl 2020 auf den Wahllisten dem Wählervotum stellen wollen, Mitglieder von Handel und Gewerbe ebenso wie eine Reihe interessierter Bürger – eben ein guter Querschnitt der Bevölkerung. Nicht zu vergessen der Gast, dessen Expertisen zu Themen der Stadtentwicklung (Vitale Innenstadt) und des Handels gefragt sind: Roland Wölfel, Geschäftsführer der CIMA Beratung und Management GmbH.
Erkennen, was sich gerade tut
Bevor der Bürgermeister in seine Gesamtbetrachtung zum Thema Stadtentwicklung 2035 einstieg, hatte er die Losung für diesen Workshop ausgegeben. Die da lautete: Zu erkennen, was sich gerade tut! Was sich gerade verändert, wo und wie in welcher Richtung. Deshalb gelte es, so Eberhard Streit, „sich die richtigen Ziele zu setzen!“ Und diese auch zu formulieren. Wer freilich von diesem Abend ein Aha-Erlebnis erwarte, der wird enttäuscht sein, relativierte er.
In der Perspektive auf 2035 wünschte sich Streit für Mellrichstadt als Mittelzentrum „so etwas wie eine Kernkompetenz“ und dort „als einzige“ oder zumindest „im besonderen Maße“ Stärke zu zeigen. Er stellte sich vor, „eine Marke zu besetzen“, zum Beispiel „Mellrichstadt steht für Sport und Freizeit“, wie er namentlich an den entsprechenden Fachgeschäften demonstrierte. Dafür forderte er einerseits von den Bürgern ein, „von ihrer Stadt selbst auch überzeugt zu sein“. Andererseits ist ihm auch jenes Manko wohl bewusst, nämlich dass „wir digital viel, viel besser werden müssen“.
Rahmenbedingungen für Konzepte verändern sich
Seit 2007 wird das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) der Stadt Mellrichstadt umgesetzt. Bereits 2012 wurde eine Zwischen-Auswertung des Einzelhandelskonzepts vorgenommen. Jedoch haben sich nach den Worten des Bürgermeisters in den vergangenen fünf Jahren viele der damaligen Rahmenbedingungen grundlegend geändert.
Digitalisierung und Onlinehandel, Nachhaltigkeit, neue Mobilität und E-Bikes, lokale Identität und Regionalität gewinnen an Bedeutung. So verändern sich Einkaufs- und Wanderungsverhalten, Tourismus und Handel verschwimmen zunehmend. Wohnen gewinnt in den Innenstädten wieder an Bedeutung, Bürger und Kunden werden informierter und anspruchsvoller. In Mellrichstadt sind zusätzliche touristische Angebote entstanden. Am Innenstadtrand sind Handelsformate hinzugekommen. Leerstände in der Innenstadt stellen heute aktuelle Herausforderungen dar.
Neues Handlungsprogramm wird aufgelegt
Eine erneute Zwischenbilanz richtet den Fokus auf die Innenstadt, wobei nun zu prüfen ist, inwieweit die aktuellen Herausforderungen noch mit den Zielen und Handlungsprogrammen des ISEKs übereinstimmen. Welche zusätzlichen Maßnahmen und Instrumente müssen eingerichtet werden, um erfolgreich agieren zu können? Warum beispielsweise, fragt sich Streit, aktiviert in Mellrichstadt der Einsatz von Fördermitteln kaum oder nur wenig private Investitionen?
Fragen wie diese werden im Rahmen einer ISEK-Klausur aufgearbeitet, kündigte der Bürgermeister an, um daraus ein neues Handlungsprogramm abzuleiten. Das Büro CIMA wird die Themen aufarbeiten, dokumentieren und ein umfassendes Strategiepapier erstellen. Die Stadtentwicklung 2035 ist aller Mühen wert, wie Streit an zwei Zahlen beispielhaft deutlich machte: Mellrichstadt hat seit 2006 insgesamt 38,8 Millionen Euro investiert, aus den Fördertöpfen sind dazu stolze 26,5 Millionen Euro geflossen.
Zwischen 2008 und 2035 auf halber Strecke stehen zu bleiben, ist nicht die Sache von Eberhard Streit, der im Mai 2020 den Chefsessel im Rathaus räumt. Er gestaltet und entwickelt im städtischen Konzept weiter mit, hat er laut und deutlich verkündet.
Initiativen und Denkanstöße für den Mellrichstädter Weg Berater der CIMA wie Roland Wölfel haben ihre Ideen und Positionen zur Zukunft lebendiger Innenstädte von morgen formuliert. In seinem mehr als einstündigen Fachvortrag hat der Geschäftsführer der CIMA Beratung und Management GmbH die aktuelle Entwicklung anhand der Frage „Wie und wohin entwickeln sich Innenstädte und Handel grundsätzlich?“ analysiert. Ausgehend vom Funktionswandel in den Innenstädten („Die Mischung machts“) und dem Zukunftsthema Freizeit und Kultur, dem jüngere Generationen größere Bedeutung beimessen, hat sich Wölfel dem Online-Handel zugewandt, der das Verbraucherverhalten verändert. Schließlich, so die Untersuchungen, erfolgen Zweidrittel aller Einkäufe unter online-Einfluss. Und nicht zu vergessen: Die über 60-Jährigen wachsen online. Roland Wölfel hat für „die neue Innenstadt“ Mellrichstadt nur Lob übrig. Das Motto „Mutig investieren – mit Bürgern inszenieren“ hat sich nach den Worten des CIMA-Geschäftsführers ausgezahlt. Mellrichstadt sei das perfekte Beispiel für einen gelungenen Stadtumbau, bei dem das städtebauliche Konzept konsequent verwirklicht wurde. „Mellrichstadt wurde zum Anschauungsobjekt für andere Kommunen.“ Wo also steht Mellrichstadt heute? Über mögliche Themen und Herausforderungen hat Wölfel ein Dutzend Gedanken für Mellrichstadt zusammen getragen. Darunter: Klares Profil der Stadt – starke Marke; Handel halten – modernisieren, Lücken gezielt schließen; Gesundheitsangebot als Frequenzbringer sowie Wohnangebot unter dem Motto „alt werden zuhause“. Zu guter Letzt waren auch die Workshop-Teilnehmer an der Reihe, den Blick in die Zukunft zu werfen. Die Pinnwand war gerappelt voll von Zetteln und Karten mit Ideen, Slogans und Vorschlägen zur Stadtentwicklung 2035. Zur Frage „Bei welchen Themen sehen Sie die größten Chancen?“ lautete eine Losung „Mellrichstadt als Familienstadt stärken“, sprich preiswerte Wohnungen, Arbeitsplätze, gute Schulen und Freizeitangebote für Jung und Alt anzubieten. Die Frage „Was sollte unbedingt angegangen werden?“ forderte eine Belebung des Marktplatzes (Stichwort Cafe) sowie den Appell, die Digitalisierung zu forcieren. Die Innenstadt als begehbare Geschichte, eine Trumpfkarte in Sachen Tourismus, ist längst „eingebürgert“, die Gäns-Franzl oder der Stadtführer legen dafür Zeugnis ab. Und Museumsleiter Rudolf Mauder weiß Jung und Alt mit seinen Flachs-Vorführungen oder Keltern im Heimatmuseum Salzhaus zu begeistern. So geht Geschichte, die lebendig ist.