Erika Hander feierte am Mittwoch ihren 90. Geburtstag im Mellrichstädter Seniorenheim St. Niklas. Dazu beglückwünschte das Stadtoberhaupt Michael Kraus sie persönlich und im Namen des Stadtrats. Da Erika Hander schon seit vielen Jahren erblindet ist und die Pracht eines schönen Blumenstraußes nicht mehr genießen kann, bereicherte er seine Geschenktüte um ein Glas Honig, den man gut schmecken und riechen kann. Der Honig wurde von seinen eigenen Bienenvölkern produziert, denn Kraus ist Hobbyimker.
Trotz fehlenden Sehvermögens kann die Jubilarin noch sehr viel selbst machen, sich in ihrer gewohnten Umgebung gut orientieren und Kontakte zu Mitbewohnern des Altenheims halten, berichteten die beiden Pflegedienstleiterinnen Olesja Müller und Kerstin Meisinger-Klemm. "Sie pflegt sich noch selbständig", schilderten sie unisono, steht alleine auf, wäscht sich selbst und kann sich auch alleine anziehen. Und: "Sie ist eine zufriedene Frau!" Woraufhin Frau Hander anmerkte: "Und wenn ich's 'mal net bin, lass' ich's mir net anmerk'.“
Große Liebe zur Musik
Sie ist eine eifrige Radiohörerin, denn sie liebt Musik vielerlei Gattungen und sie singt gerne Volkslieder und alte Schlager, die sie alle auswendig kann. Sie besucht regelmäßig die Hausgottesdienste beider Konfessionen. In Begleitung macht sie auch noch Spaziergänge in der Altstadt. Sie erzählte, dass sie früher sehr viel gewandert und mit dem Rad gefahren ist, was sie aber leider recht bald durch ihre nachlassende Sehleistung aufgeben musste. Bis dahin war sie oft von Willmars nach Filke, Sands, Weimarschmieden, Völkershausen und Stedtlingen zu Fuß unterwegs.
Erika Hander ist alleinstehend und lebt erst seit 2011 im Seniorenheim St. Niklas. Bis dahin war sie stets Willmarserin. In Willmars wurde sie am 16. Juni 1931 als erstes von fünf Kindern ihrer Eltern Karl und Elisabeth Hander geboren. Alle vier Brüder hatte es in andere Städte gezogen. Da sie nicht mehr leben, hat sie auch keine Verwandten mehr. Dennoch gibt es Familienmitglieder, mit denen sie noch oft telefoniert. Denn sie hatte in jungen Jahren die Zwillingsgeschwister Marga und Gunther Geis als Pflegekinder angenommen und sie später adoptiert. Bis zum Erwachsenenalter lebten sie im Elternhaus in Willmars. Heute wohnen sie in Köln, sind verheiratet, haben je ein Kind und halten regelmäßig Kontakt zu ihr, und schicken ihr ab und zu Geschenkpakete.
Ausbildung zur Kinderpflegerin
Nach dem Besuch der einklassigen Dorfschule in Willmars (ein Lehrer namens Weger unterrichtete alle Jahrgänge in einer gemeinsamen Klasse), war sie an die Realschule Mellrichstadt gewechselt, machte eine Ausbildung als Kinderpflegerin und arbeitete dann zehn Jahre lang in diesem Beruf im Kinderheim Willmars, wo sie Säuglinge und Kleinkinder versorgte. Weil damals unverheiratete Mütter mit Kindern geächtet waren, wurden häufig Säuglinge im Heim abgegeben. Andere geschundene Kleinkinder wurden vom Jugendamt aus ihren Familien genommen. Die Gruppengröße schwankte zwischen 10 und 16 Kinder. Dann ereilte sie das Schicksal des zunehmenden Sehverlustes, der sie zur Aufgabe ihres geliebten Berufes zwang. Seit einem Jahrzehnt ist sie total erblindet. Doch alle Schwierigkeiten haben sie nie verzweifeln lassen. Sie hat alle Herausforderungen des Lebens angenommen, sich den Umständen gut angepasst und das Beste daraus gemacht. Die bescheidene Seniorin ist auch mit neunzig noch ein zufriedener Mensch.