Start in der Ludwigstraße. Die ersten paar Meter sind noch holprig und unkoordiniert, aber ich gewöhne mich an meinen Rolli. Die erste Hürde lässt nicht lange auf sich warten. Ein Kanaldeckel. Auch wenn er nur wenige Zentimeter aus dem Boden herausschaut, ist er für mich ein Hindernis. Und ich spüre die Blicke der Menschen um mich herum. Alle schauen, keiner hilft.
Weiter geht es zum Marktplatz. Als der Rolli dort in die Regenrinne gerät, habe ich Mühe, wieder heraus zu kommen. Eine Frau bietet Hilfe an. Ein schönes Gefühl.
Gleich teste ich den Zugang zur künftigen öffentlichen Toilette, die neben der Kirchentreppe installiert werden soll. Kann ein Rollstuhlfahrer sie aus eigener Kraft erreichen? Den kleinen Anstieg kann ich mit Mühe bewältigen, für geübte Fahrer dürfte er kein größeres Problem sein. Der Gang zu der vorgesehenen Toilette ist breit genug, ich kann am Ende ohne Hilfe wenden.
Weiter geht die Tour Richtung Georgi-Park. Das erste Mal muss ich die Straßenseite wechseln. Prompt hängt der Reifen am Bordstein, ich stehe mitten auf der Straße. Noch während ich überlege, kommt die Lösung angelaufen. Ein junger Mannes wechselt sogar die Straßenseite, um mir zu helfen. Den Rolli kurz nach hinten gekippt und schon steht er auf dem Gehweg.
Mein Weg führte mich in die Georgi-Kurhalle. Die Türen sind zum Glück offen. Sonst hätte ich keine Chance, die Behindertentoilette zu erreichen. Die nächste Hürde: Die Brücke über die Sinn im Georgi-Park. Meine Arme machen langsam schlapp. Meinen verzweifelten Gesichtsausdruck scheint ein älterer Herr zu bemerken und bietet an, mich über die Brücke zu schieben. Uns kommen drei Bundeswehrsoldaten entgegen, die auch ihre Hilfe anbieten. So viel Unterstützung erlebe ich bei meinem Selbstversuch nur einmal.
Vor dem Krankenhaus scheitere ich. Ein kleiner Absatz von fünf Zentimetern und Kopfsteinpflaster – ich komme weder vor- noch rückwärts. Ein Mann kommt aus dem Krankenhaus, ich denke, das ist mein Helfer. Er dreht sich zu mir um, sieht mich in meiner misslichen Lage und geht weiter.
In der Bahnhofstraße machen meine Arme langsam schlapp. Das Vorwärtskommen wird immer schwerer. Die Ampel an der Kreuzung am Deutschen Haus ist die nächste Herausforderung. Ich bin mitten auf der Straße, die Ampel springt auf Rot. „Halten die Autos an? Fahren sie rücksichtslos an mir vorbei?“ Meine Sorgen sind unberechtigt, diesmal schaffe ich es auf Anhieb alleine über den Bordstein. Ich spüre aber wieder Blicke von Passanten im Nacken. Viele gaffen mich an, andere schauen weg. Meine Hände beginnen zu schmerzen.
Über den Vorplatz des Alten Rathauses mache ich mich auf den Rückweg. Unmöglich für mich, die Ludwigstraße bergauf zu nehmen. Ich wähle die Unterhainstraße, sie wirkt flacher. Ihre Tücken zeigen sich auf den zweiten Blick, aber ich meistere sie, trotz großer Schwierigkeiten. Ich muss viele Pausen einlegen, meine Kraftreserven schwinden zusehends. Die Judengasse wähle ich als Verbindungsweg zur Ludwigstraße. Endlich mal eine Straße, die kein Kopfsteinpflaster oder löchrigen Teer birgt.
Ein richtig unangenehmes Gefühl bekomme ich auf Höhe der Eisdiele. Die Leute mustern mich von Kopf bis Fuß, ich fühle mich richtig unwohl.
Nach einer fast zweistündigen Tour durch die Stadt komme ich am Sanitätshaus Richter an. Und bin heilfroh, meinen Rolli abgeben und zu Fuß aus dem Laden spazieren zu können.