Die große Politik träumt von Flugtaxis, in ländlichen Regionen hingegen wären die Leute schon froh, wenn es eine gut getaktete öffentliche Verkehrsanbindung gäbe. Beim Bürgergespräch der Freien Wähler Mellrichstadt zum Thema Mobilität wurde am Dienstagabend deutlich: Ideen gibt es einige, wie die Menschen im Streutal einigermaßen flexibel etwa von Frickenhausen nach Mellrichstadt kommen, an der praktischen Umsetzung muss allerdings noch ordentlich gefeilt werden.
"Wer ist heute mit öffentlichen Verkehrsmitteln hier?" Mit dieser einfachen Frage zeigte Michael Kraus, Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler für die Kommunalwahl 2020, das Dilemma gleich zu Beginn der Gesprächsrunde auf. Kein einziger Teilnehmer meldete sich. Busse fahren um diese Zeit nicht mehr, um Stadtteilbewohner nach Mellrichstadt zu bringen, also muss man sich entweder eine Fahrt mit dem Taxi leisten oder kommt, wie nahezu alle Gäste, mit dem eigenen Auto. Doch wie gelangt man im Alltag von A nach B, wenn man nicht mehr selbst Auto fahren kann?
Flexibel bleiben ohne Auto
Keine Frage, Mobilität ist ein Grundstein der Daseinsfürsorge. Im ländlichen Raum ist das Auto das wichtigste Verkehrsmittel, für viele unverzichtbar und Garant für Flexibilität im Alltag. Wie könnte man es also schaffen, diese Flexibilität auch für Leute zu erhalten, die auf öffentliche Verkehrsmittel oder Mitfahrgelegenheiten angewiesen sind? Um diese Frage entwickelte sich eine rege Diskussion, die vom Rufbus über private Mitfahrzentralen bis hin zu App-gesteuerten Angeboten reichte.

Dabei lauern natürlich auch Fallstricke, das wurde schnell deutlich. Während die einen argumentieren, dass das Auto einfach bequem ist und Forderungen nach guten Busverbindungen nur dann laut werden, wenn man auf das Auto verzichten muss, sagen die anderen, dass das Beförderungsangebot bestimmt genutzt würde, wenn es ein solches nur gäbe. Klar ist, dass die Rentabilität gesichert sein muss, denn was nutzt ein gutes öffentliches Angebot, wenn die Busse dann nahezu leer sind?
Studenten arbeiten an Konzept
Statt ins Blaue zu stochern, wollen die Freien Wähler auf Fakten setzen. Die Vorstandsriege um Sabine Scharfenberger hat eine Gruppe von Studenten beauftragt, die ein Konzept erarbeiten sollen, wie der öffentliche Personennahverkehr individualisiert und attraktiver gestaltet werden kann. Dazu sind 19 Frauen und Männer vom 11. bis 13. April im Stadtgebiet unterwegs und führen auch Befragungen durch. Dieses Projekt könnte in einem weiteren Schritt auf alle elf Gemeinden der Streutalallianz ausgeweitet werden. Die jungen Leute mit Studienfach Bauingenieurwesen und Infrastrukturmanagement an der Hochschule für Technik in Stuttgart sind im sechsten Semester und sollen ermitteln, welche Anforderungen es im Gebiet der VG Mellrichstadt für einen öffentlichen Personennahverkehr gibt. Als örtlichen Unternehmer haben die Freien Wähler zudem Otto Sum vom Omnisbus-Service Sum ins Boot geholt, der sein Fach- und Hintergrundwissen hierbei einbringen wird.
Die Diskussion am Dienstagabend zielte allerdings nicht nur auf den Busverkehr ab, sondern zeigte auch andere Varianten auf. Zwei Schlagwörter, die beim Thema Mobilität immer wieder gern genannt werden, lauten spontan und günstig. "Was wäre also, wenn wir fünf oder sechs Fahrzeuge hätten, die im Stadtgebiet pendeln und die man schnell anrufen könnte, wenn man einen Fahrdienst braucht?", brachte Thomas Erhard als Möglichkeit für mehr Mobilität ins Spiel. Mit einer Zentrale, die die Fahrten steuert, oder einer Softwarelösung mit Buchungen via App. Als Vorbild könnte etwa der Dienstleister Uber dienen, nach dessen Vorbild ein Netzwerk aus privaten und öffentlichen Anbietern in der Region aufgebaut werden könnte. Eine Art regionale Mitfahrzentrale.
Entscheidend: die Kostenfrage
Doch was kostet solch eine Fahrt? Das wird eine entscheidende Frage sein, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Der Preis darf nicht zu hoch sein, also wie können die Kosten für ein öffentliches Angebot im Rahmen gehalten werden? "Wir brauchen also erst einmal einen vollen Topf", hieß es, weshalb geprüft werden soll, ob es Fördermöglichkeiten für solch ein Leuchtturmprojekt gibt. Die Studenten sollen zudem nicht nur Menschen in der Stadt und an Einkaufszentren zu ihrem Verkehrsverhalten befragen, sondern auch Menschen, die nicht mehr mobil sind und ihre Bedürfnisse aufzeigen können.
Einig waren sich die Teilnehmer, dass der Bedarf an flexiblen Mitfahrmöglichkeiten den ganzen Tag über gegeben ist. Mit Spannung wird nun erwartet, welche Wünsche und Anforderungen die Studenten bei ihrer Umfrage ermitteln. "Schauen wir, was der April uns bringt", richtete Michael Kraus den Blick nach vorn. Der erste Schritt ist getan.
Bürgergespräche der Freien Wähler MellrichstadtDie Freien Wähler wollen die Tradition der Bürgergespräche in Mellrichstadt wieder aufleben lassen. Nach dem ersten Gesprächsabend zum Thema Mobilität wird sich die Diskussion im Mai um den Erhalt des Mellrichstädter Sportbads drehen. Wer Fragen und Anregungen hat oder eine Idee, was ein weiteres Thema für ein Bürgergespräch wäre, kann sich per E-Mail an die Vorsitzende Sabine Scharfenberger (Scharfenberger@fwg-met.de) wenden.