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Muss es ständig Unterwäsche sein?

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Muss es ständig Unterwäsche sein?

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    Gehen getrennte Wege: das Meininger Theater und der bisherige
Intendant Res Bosshart.
    Gehen getrennte Wege: das Meininger Theater und der bisherige Intendant Res Bosshart. Foto: FOTO ARCHIV

    Dem Stiftungsrat der Kulturstiftung Meiningen wäre an einem zügigen Ende der Zusammenarbeit gelegen, wie das Meininger Tageblatt (MT) in seiner gestrigen Ausgabe meldete. Den Wunsch einer vorfristigen Vertragsaufhebung habe Stiftungsratsvorsitzender und Kultusstaatssekretär Walter Bauer-Wabnegg bereits am Mittwochnachmittag an den Intendanten herangetragen. Der bekundete seinerseits, den bis 2007 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.

    Darüber hinaus lässt sich Res Bossart laut MT alle Möglichkeiten offen. "Ich ziehe in Betracht, meinen Vertrag bis 2007 zu erfüllen." Er will zunächst mit seinem Anwalt Kontakt aufnehmen.

    Das geht ganz gegen die Absichten des Stiftungsrates, der es am liebsten sehen würde, wenn Bosshart bereits zum Ende der Spielzeit im kommenden Monat gehen würde. Laut MT wäre man wohl auch bereit, eine Abfindung für einen schnellen Abgang zu zahlen.

    Konkret ist damit noch lange nichts. Während Bauer-Wabnegg gegenüber der Presse äußerte, dass er damit rechnet, dass "binnen zwei Wochen" Klarheit herrscht, sieht Bosshart das anders: "Ich bin Schweizer, da dauert's ein bisschen länger. Wenn wir bis zur Spielpause im Juli eine Entscheidung hinkriegen, dann haben wir Glück".

    Theaterkritiker Siggi Seuß, den Lesern dieser Zeitung als Beobachter von Szene und Inszenierungen wohl bekannt, hofft, dass dieser Konflikt nicht auf dem Rücken des Publikums und des Theaters ausgetragen wird. "Immerhin hängen da ein paar hundert Arbeitsplätze dran." Das Publikum habe ein Recht, schnellstmöglich zu erfahren, wie es mit dem Traditionshaus weitergeht.

    Eines steht jedenfalls fest: Einen Gefallen hat Bosshart mit dem Festhalten an seiner überaus modernen Linie trotz stetig sinkender Abo-Zahlen auch sich selbst nicht getan. Der vorzeitige Abschied vom Südthüringischen Staatstheater bedeutet immerhin, "dass er ein Theater auf dem Land, ein Theater mit verschiedenen Szenen nicht führen kann", so Seuß. "Dabei hatte er eigentlich gute Karten, das Publikum war von seinen Vorgängern auch Experimente gewohnt." Dieser Ruf wird Bosshart in Zukunft wohl begleiten. (Einen Kommentar von Siggi Seuß zur Situation am Meininger Theater lesen Sie im Kulturteil dieser Zeitung.)

    Zu den Kritikern des scheidenden Intendanten zählt Hermann Pfeiffer (Bad Neustadt): "Ich hab die Nachricht mit Fröhlichkeit vernommen. Vielleicht, weil dann endlich mal wieder Theater gemacht wird, und nicht so dummes, überkandideltes Zeug". Bosshart habe das Theater damit in erschreckender Weise kaputt gemacht. Und die Schauspieler immer wieder Peinlichkeiten ausgesetzt.

    Was Pfeiffer besonders ärgert: "Die unglaubliche Arroganz, mit der Bosshart das Publikum als zurückgeblieben erachtet hat und verändern wollte". Für sein Abonnement habe er eine Art Galgenfrist festgesetzt: "Solange wenigstens drei Aufführungen gut sind, bleibe ich dabei". Immerhin habe er zuletzt Kompromisse erkennen können.

    Ulrich Bergner, eifriger Theatergänger und Kulturfreund aus Mellrichstadt, hält die Trennung von Res Bosshart für "unvermeidbar": "Die Kluft zwischen Publikum und Intendant ist zu groß geworden". Bosshart habe sich zu wenig an sein Publikum gewandt, seine Intentionen zu wenig erklärt. Zwar habe das Schauspiel am Meininger Theater unter seiner Ägide sehr gewonnen, so Bergner mit Verweis auf die Aufführung "Dantons Tod". Das Musiktheater hingegen habe einen herben Sturz erlitten. "Die Aufführung von Tristan und Isolde ist auch für Wagner-Kenner ein Buch mit sieben Siegeln geblieben", kritisiert er.

    Ein Freund der Bosshart'schen Linie hingegen ist Rudolf Glaesner aus Mellrichstadt. Er sieht den Grund des Scheiterns des Intendanten in seinem Bestreben, Theater als moralische Anstalt etablieren zu wollen. "Das Publikum dafür hätte Bosshart vielleicht in Großstädten gefunden, aber nicht in Meiningen, wo hauptsächlich ältere Menschen unterhalten werden wollen", so Glaesner.

    Da Bosshart selbst kein Stück inszeniert hat, müsse man die Misserfolge vielmehr den Regisseuren anlasten, die er engagiert hat. Natürlich trägt der Intendant, der, so lautet ein eisernes Gesetz, den Regisseuren nicht hinein redet, die Gesamtverantwortung nach außen, führt der Kulturfreund aus. "Das Risiko war da und es ging in die Hose. Mir persönlich tut Res Bosshart leid."

    Denn Glaesner selbst ist "ein Freund von geistig forderndem Theater, nicht von oberflächlicher Unterhaltung". Tabus dürfen seiner Meinung nach nicht ausgeklammert werden. "Theater soll dem Publikum Probleme vor Augen führen, und oftmals setzt erst Verfremdung das Denken in Bewegung - zum Beispiel über die Bedeutung von Symbolismen", schildert Glaesner.

    "Ich bin froh, dass Herr Bosshart geht." Hildegard Gross aus Bad Neustadt macht aus ihrer Erleichterung angesichts der aktuellen Entwicklung keinen Hehl.

    Auch wenn ihr bei den jüngsten Inszenierungen einiges gut gefallen habe, empfand sie Bossharts Stil insgesamt als modernistisch: "Er wollte modern sein, hat aber nicht begriffen, dass Meiningen längst modern war, und er wirkte dadurch oft gewollt". Als frustrierend, irritierend, langweilig erlebte die Theaterfreundin, dass in verschiedenen Inszenierungen immer wieder die gleichen, mit der Zeit totgelaufenen Motive auftauchten. "Mein Gott, muss es ständig Unterwäsche sein?", diese Frage habe nicht nur sie sich gestellt.

    Darüber hinaus vermisste Hildegard Gross bei Bosshart "Respekt vor anderen Menschen und ihrer Leistung". Zum Beispiel, sagt sie, habe er Mitarbeiter entlassen wollen, ohne diese je in der Probe gesehen zu haben.

    Eine ähnliche Haltung stellte die Bad Neustädterin, die das Geschehen am Meininger Theater als Abonnentin seit langem verfolgt, gegenüber den Zuschauern fest: "Er hat für das falsche Publikum inszeniert, weil er sich nie dafür interessiert hat, wer sein Publikum war".

    Dass sie Meiningen und seiner Theaterfamilie trotzdem die Treue gehalten hat, hat einen einfachen Grund: "Ich wusste, ich werde Herrn Bosshart überstehen".

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