Wie bringe ich große Werke der klassischen Musik Kindern nahe ? Am besten genau so, wie es das Kammerorchester "Unter den Linden" aus Berlin am vergangenen Sonntagnachmittag im "Kloster Wechterswinkel" gemacht hat: Mit kindgerechter Erläuterung, aktivem Mittun, mit Illustration, portionsweisem Servieren und viel Witz. So, wie Modest Mussorgskys Meisterwerk "Bilder einer Ausstellung" von dem vierköpfigen Ensemble präsentiert wurde, werden es die Kinder wohl nie vergessen. Eine tolle Idee, dem Nachwuchs auf diese Art und Weise den Zugang zur klassischen Musik zu ermöglichen. Und auch die Erwachsenen, die das Familienkonzert am frühen Nachmittag miterleben durften, haben das Stück wohl noch nie in dieser Form erlebt.

Schon der Einstieg in das Konzert – die genaue Aufgabenverteilung für die vier Künstler – gelingt. Die Kinder kennen keine Berührungsängste und weisen gleich mal die Aufgaben mit zu: Illustrator Till Runkel geht an die Atelierstaffelei, Isabel Engelmann und Camille Phelep nehmen am Steinway-Flügel Platz und Dirigent Andreas Peer Kähler übernimmt die Aufgabe des Erzählers und Moderators. Dass das immer wiederkehrende musikalische Hauptthema des Werkes einem Gang durch die Ausstellung nachempfunden ist, demonstriert Andreas Kähler, indem er zur Musik mit einem Kind an der Hand durch die Reihen der Besucher "promeniert".
Musik wurde als Hommage an die Bilder eines Freundes komponiert
Vor circa 150 Jahren hat Mussorgsky die Musik als Hommage an die Bilder seines Malerfreundes Viktor Hartmann komponiert, erläutert der Moderator, der die Kids immer wieder mit einbindet. So, wenn sie erraten müssen, was denn da gerade von Till Runkel gezeichnet wird, wie etwa der "Gnomus" oder auch "Das alte Schloss". Bei letzterem muss auch das Publikum ganz leise sein: "Denn sonst bröckelt die alte Fassade ab", schmunzelt er, während auch die beiden Pianistinnen "pianissimo" spielen.

Das nächste, natürlich auch wieder "ganze besondere Bild" beginnt mit einem großen und einem kleineren inneren Kreis. Nein, kein Sombrero tragender Mexikaner von oben. Auch kein Pfannkuchen oder gar ein Spiegelei, wie einige Kinder vermuten. Es ist ein Teil des großrädrigen "Bydlo", des polnischen Ochsenkarrens, der – großartig lautmalerisch von Isabel Engelmann und Camille Phelep gespielt – vor dem inneren Auge in der Ferne auftaucht , näherkommt und dann wieder verschwindet. Nach dem eher traurigen, monotonen Charakter dieses Bildes, sorgt das "Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen" für einen flotten, fröhlichen und ausgelassenen Kontrast. Schnelle, laute, lustige und heitere Musik lässt das emsige Treiben auf dem "Marktplatz von Limoges" erahnen. Dynamisch, voller Dissonanzen – angesichts der vielen unterschiedlichen Charaktere der Standbetreiber und Besucher auf einem französischen Wochenmarkt.
Am Ende werden alle Bilder gegen eine Spende verkauft
Beim Bild der "Katakomben von Paris" wird es dagegen düster und unheimlich, bevor die "Hütte auf Hühnerfüßen" der schrecklichen russischen Oberhexe Baba Yaga auf das letzte, direkt damit verbundene Bild "Das große Tor von Kiew" überleitet, das Till Runkel mit der ukrainischen Nationalflagge und einer weißen Friedenstaube zeichnet. Die Musik dazu ist laut, schwer, stampfend, gesetzt, großartig, dramatisch und großspurig – eben einem bombastischen Finale würdig.
Als Zugabe dieses von den Besuchern begeistert beklatschten Gastspiels des Ensembles werden alle Bilder gegen eine Spende verkauft. Der Gesamterlös dieser "Versteigerung" kommt einem guten Zweck, nämlich dem Kinderschutzbund Bad Neustadt zugute. Vorsitzende Michaela Scherer freute sich riesig über diese gute Aktion.