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Nach Mathilde Weinstock war Schluss

Bad Neustadt

Nach Mathilde Weinstock war Schluss

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    Stein an Stein: Der 3300 Quadratmeter große Gemeindefriedhof für die israelitische Kultusgemeinde Neustadt wurde im 19. Jahrhundert in der Flurgemarkung Mönchshauck angelegt.
    Stein an Stein: Der 3300 Quadratmeter große Gemeindefriedhof für die israelitische Kultusgemeinde Neustadt wurde im 19. Jahrhundert in der Flurgemarkung Mönchshauck angelegt. Foto: Fotos: Reinhold Albert

    Der 3300 Quadratmeter große Gemeindefriedhof für die israelitische Kultusgemeinde in Neustadt an der Saale wurde im 19. Jahrhundert in der Flurgemarkung Mönchshauck angelegt. Ihn erreicht man von der Stadtmitte aus in Richtung Schweinfurt, dann über Jahn-, Hedwig-Fichtel- und Mozartstraße. Von Letzterer führt ein Schotterweg rechts am Friedhofstor vorbei.

    Erstmals werden jüdische Bürger in Neustadt im Zuge der so genannten Rintfleischverfolgungen im Jahre 1298 erwähnt. Rintfleisch, vermutlich ein verarmter Ritter aus Röttingen bei Würzburg, sammelte eine Schar von Fanatikern um sich, die im gesamten heutigen Unterfranken (und darüber hinaus) alle Städte und Dörfer nach Juden durchkämmten und in einem Blutrausch alle niedermachten, die ihnen begegneten.

    Eine israelitische Kultusgemeinde in Neustadt bildete sich 1853. Vor 1887 begrub sie ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof in Kleinbardorf. Elisabeth Böhrer, ehrenamtliche Forscherin aus Sondheim, spezialisiert auf die Geschichte der Juden in der Region, berichtet, dass die jüdische Gemeinde am 24. Oktober 1887 die Friedhofsfläche von Abraham Gärtner erwarb. Als Erste wurde Babette Ambrunn aus Bad Neuhaus bestattet. Sie starb am 16. November 1887.

    Der Bad Neustädter Stadtarchivar Thomas Künzl teilte mit, dass die Lokalzeitung am 9. Juni 1888 berichtete, eine Deputation der israelitischen Gemeinde habe dem Verleger der Rhön- und Saalpost, Max Josef Mayer, als Dank für dessen Bemühungen um die Herstellung des israelitischen Friedhofs in Neustadt einen prachtvollen Pokal mit eingravierter Widmung überreicht.

    Ältester der auf dem Friedhof Beigesetzten war der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Rödelmaier, Hirsch Franken. Er starb im Alter von 93 Jahren. Auch der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Neustadt, Sigmund Sichel, fand noch sein Grab auf dem Friedhof. Er starb 1936.

    Das rechteckige, gen Süden geneigte Friedhofsgelände ist durch einen 1889 errichteten Zaun von den umliegenden Grundstücken abgegrenzt. Das Gräberfeld liegt im westlichen Bereich des Friedhofs, links der Allee. Die Gräber sind in den Jahren vor 1900 so angeordnet worden, dass in der ersten Reihe nur Frauen, in der zweiten ausschließlich Männer und in der dritten nur Kinder beigesetzt wurden. In den Jahren danach sind die Gräber gemischt angeordnet worden.

    Bis Ende der 1930er-Jahre war der westliche Teil des Friedhofs großenteils belegt, der östliche Teil noch nicht. Elisabeth Böhrer hat die Register transkribiert, digitalisiert und punktuell auf der Grundlage anderer Quellen ergänzt.

    Daraus geht hervor, dass es nach der Bestattung von Mathilde Weinstock am 15. März 1940 keine Beerdigungen mehr gab - 177 Personen wurden auf dem Friedhof beigesetzt. Möglicherweise weist die Angabe auf der Hinweistafel, wonach der Friedhof „bis 1942 als Bestattungsstätte“ diente, auf das Jahr der Deportation der jüdischen Einwohner Neustadts hin.

    Die Grabsteinformen sind in der Regel einfach. Es gibt unterschiedliche Größen, viele Obelisken, ein liegender Stein und viele Steine mit eingesetzten Schrifttafeln. Die Inschriften sind meist hebräisch und deutsch auf der Vorderseite, aber es gibt auch rein deutsche Inschriften. Als Materialien wurde viel polierter und behauener Schwarzstein und Marmor verwendet. Ältere Grabmale sind aus gelbem Sandstein. Eine Besonderheit ist, dass es viele Grabsteine für Ehepaare gibt.

    Zahlreiche Grabsteine des Friedhofs (mindestens 27) wurden im jüdischen Steinmetz-Betrieb Koppel (Nördlingen) hergestellt. Ein Grund für die Häufung von Koppel-Grabsteinen in Bad Neustadt dürfte sein, dass Jette geborene Koppel aus dem Steinmetzbetrieb in Nördlingen den Neustädter Isidor Franken heiratete. Jette Franken verstarb 1927 und wurde in einem Doppelgrab beigesetzt. Das zweite Grab blieb leer, ihr Mann konnte 1938 noch emigrieren.

    Schändungen sind aus den Jahren 1936 und 1938 überliefert. Es fehlen viele Schrifttafeln, etliche Grabsteine sind umgekippt oder abgebrochen.

    Schüler des Rhön-Gymnasiums unter Anleitung von Studiendirektor Günter Henneberger und deren israelische Austauschpartner als auch israelische und deutsche Experten, wie Professor Moshe Caine und Professor Stefan Simon haben sich mit dem Friedhof beschäftigt. Als Ergebnis ist eine spezielle Homepage der Stadt Bad Neustadt ans Netz geplant, die den Friedhof und generell das frühere jüdische Leben in Bad Neustadt dokumentieren soll.

    Literatur: Anita Sperle-Fleig/Gabi Kokott: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Seminararbeit Weihenstephan, MS 1986; Michael Trüger: Der jüdische Friedhof in Bad Neustadt a.d. Saale. In: Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 8. Jahrgang Nr. 58 vom September 1993 S. 27; Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern, 2. Auflage, Bamberg 1992; www.alemannia-judaica.de/neustadt_saale_friedhof.htm.

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