Edna geht stolz auf die 80 zu, besitzt einen voluminösen Körper mit haselnussbraunem Teint, wiegt 1,5 Tonnen – und ist ein Auto. Der Hudson 112 Saloon Baujahr 1938 könnte auf den Straßen ein echter Hingucker sein, wenn er nur nicht so selten wäre. Eines der wenigen in Deutschland zugelassenen Exemplare dieses Klassikers aus der legendären US-Autostadt Detroit – vielleicht ist es sogar das einzige – steht seit gut vier Wochen auf dem Grundstück von Udo Maly, der Wirt der Vitus Brückenschänke in Wülfershausen (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Zufallsfund im Internet
Den Namen verdankt das Auto übrigens einer Vorbesitzerin, doch dazu später mehr. Eigentlich hielt Oldtimerfan Maly im Internet Ausschau nach einem Citroen Traction Avant, dem so genannten Gangsterauto, mit dem sich in vielen französischen Kriminalfilmen der Nachkriegszeit Bösewichte mit der Polizei wilde Verfolgungsjagden lieferten.

Zwischen all den tiefschwarzen Limousinen entdeckte Maly dann den Hudson. Der stand schon eineinhalb Jahre zum Verkauf, ohne dass sich jemand ernsthaft für ihn interessiert hatte.
Oldtimerfan war hin und weg
Maly aber war sofort Feuer und Flamme, wie er zugibt. Und weil der Brückenschänken-Wirt der einzige war, bei dem der Oldtimer solch starke Gefühlsregungen auslöste, ließ der in Aachen lebenden Eigentümer auch über den Preis mit sich reden. Soweit, dass Maly nicht mehr anders konnte, als das gute Stück zu kaufen und es mit einem Anhänger nach Wülfershausen zu bringen.
Hudson mit einer interessanten Vorgeschichte
Zumal der Hudson eine interessante Vorgeschichte hat, die auch noch dokumentiert ist durch zwei Zeitungsartikel. Die ersten gut 40 Jahre seines Daseins steuerte nämlich eine Frau namens Edna Joyce Henson das Auto über die Straßen Neuseelands. Ihr zu Ehren tauften die nachfolgenden Besitzerinnen das Vehikel auf den Namen Edna.

Die beiden Frauen aus Aachen waren 1992 auf einer Reise durch den Inselstaat, als sie in dem kleinen Hafenstädtchen Westport bei einem Autohändler in einer Seitenstraße das Ungetüm entdeckten. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, gestanden die Frauen vor mittlerweile auch schon 24 Jahren einer Reporterin der Aachener Zeitung. Die Familie des Autohändlers mussten die beiden überzeugt haben – vielleicht war man aber auch nur froh, das alte Vehikel endlich los zu sein – jedenfalls ließ sie sich darauf ein, nur die Hälfte des Kaufpreises in bar zu fordern. Der Rest sollte von Deutschland überwiesen werden. Dazwischen blieb den Freundinnen aus Aachen noch Zeit, um Edna Joyce Hanson zu besuchen. Die alte Dame zeigte sich glücklich, dass „ihr“ Auto jetzt in solch gute Hände kommen sollte.
Sechs Wochen in einem Container auf hoher See
Nervenaufreibende Telefongespräche mit Schifffahrtsgesellschaften, Containerfirmen, Versicherungen und Zollbehörden folgten. Schließlich schipperte Edna, verstaut in einem Container auf einem Frachter, der Kiwis und Äpfel nach Deutschland transportierte, über das Meer. Sechs Wochen dauerte die Reise bis zum Hamburger Freihafen, von wo aus die beiden Frauen und ein Bekannter den Oldtimer per Anhänger nach Aachen brachten.
Dort nahm der TÜV das rechtsgesteuerte Auto unter die Lupe. Bremslichter und Blinker mussten nachgerüstet werden, weil Abbiegen nach Armschwenken in Deutschland nicht erlaubt ist.
Nach der Namens-Taufe im Oktober 1992 wurde das Auto wenig gefahren, aber sehr gepflegt und schließlich 2001 wieder verkauft.
Maly faszinierte nicht nur die Geschichte, sondern ihn überzeugte auch eine hohe Rechnung aus dem Jahr 2013 über die Generalüberholung des gut 75 PS starken Motors mit 2,8 Litern Hubraum und sechs Zylindern. Enda begnügt sich übrigens mit Superbenzin ohne Zusätze.
Die Schaltung hakt ein wenig
Die erste „Inspektion“ hatte noch in Aachen ein versierter Oldtimer-Freund von Maly vorgenommen. Zuhause warf dann Malys Sohn, ein gelernter Kfz-Mechaniker, einen Blick auf das Auto, da es etwas Probleme mit dem Vergaser und der Zündung gegeben hatte. Aktuell steht Kosmetik auf dem Programm, denn am linken hinteren Kotflügel ist der Lack etwas abgeplatzt.

Mit den Fahreigenschaften des Hudson ist Maly zufrieden, auch wenn die nicht zu 100 Prozent synchronisierte Schaltung ein wenig hakt. Das Lenkrad auf der rechten Seite stört ihn nicht, zumal er das schon von seinem zweiten Oldtimer, einem 1970er Nachbau des Pilgrim Cobra Sportwagen gewohnt ist. Allzu oft fährt Maly Edna sowieso nicht spazieren. Einzig ab und an am Wochenende oder zu einem Oldtimertreffen. Alte Damen sollte man schließlich nicht über Gebühr strapazieren.
Hudson Motor Car Co. Die US-amerikanische Automobilgesellschaft existierte von 1909 bis 1954 in Detroit, bevor sie sich mit Nash Motors zur American Motors Corporation (AMC) zusammenschloss. In ihrer Glanzzeit bis Ende der 1930er wurden jährlich bis zu 300 000 Fahrzeuge hergestellt, nur Ford und Chevrolet produzierten 1929 mehr. Der 1938 auf den Markt gekommene Hudson 112 zählte zu den günstigeren Modellen. Neben dem Standardmodell Saloon gab es ein Deluxe-Modell mit wurzelholzfurniertem Armaturenbrett. Udo Malys Hudson hat 37 000 Meilen auf dem Tacho, besitzt eine Hydraulikbremse und ein Unterdrucksystem für den Scheibenwischer. old