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Pfingstreise der Rumänien-Soforthilfe

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Pfingstreise der Rumänien-Soforthilfe

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    Im Bischofspalais in Satu Mare wurde die Reisegruppe vom katholischen Bischof Jenö Schönberger empfangen.
    Im Bischofspalais in Satu Mare wurde die Reisegruppe vom katholischen Bischof Jenö Schönberger empfangen. Foto: Foto: SPD

    Haßberge/Rhön-Grabfeld/Bad Kissingen. „Was willst du denn in Rumänien?“ Diese Frage mussten sich vermutlich viele anhören, die sich entschlossen hatten, in den Pfingstferien an einer siebentägigen Rumänienreise teilzunehmen. „Einen Einblick in Kultur, Gesellschaft und politisches Leben des Landes erhalten“, wäre eine Antwort gewesen. So stand es nämlich auf der Ausschreibung des gemeinnützigen Vereins Rumänien Soforthilfe e.V., die für diese Fahrt warb. De Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner ist Vorsitzende des Vereins. Sie engagiert sich seit der Revolution 1989 in Rumänien. Nach ersten Hilfstransporten in die Kleinstadt Lipova im Nord-Westen des Landes war schnell klar, dass die Bewohner vor allem eines brauchen: eine langfristige Hilfe zur Selbsthilfe. Da fängt man am besten bei den Kindern an. Das Kinderhaus „Casa Prietenia“ (auf deutsch: „Haus der Freundschaft“) wurde 2003 gegründet. Seitdem ist ein Zwischenstopp bei den derzeitig neun Kindern dort ein fester Bestandteil der jährlich stattfindenden Rumänienreise. 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Susanne Kastners Wahlkreis machten sich vom 19.-26. Juni 2011 auf den Weg in die Maramures.

    Der erste Tag beginnt in diesem Jahr mit der Besichtigung des Klosters „Maria Radna“ in Lipova. Die Basilika auf einer kleinen Anhöhe bietet den Reisenden ein beeindruckendes Bild. Zwei große, gelbe Türme im Barockstil stechen in den blauen Himmel. Wenn man näher kommt, sieht man aber, dass die Fassade von Rissen durchzogen ist, der Putz bröckelt und die Wände zum Teil mit schweren Holzgerüsten gestützt werden. Das Gebäude muss dringend saniert werden.

    Die Geschichte des Klosters spricht dafür, dass es sich lohnt. Im Jahr 1440 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. Als fast 300 Jahre später osmanische Truppen die Kapelle der Franziskaner niederbrannten, überstand ein Marienbild, der Legende nach, das Feuer unbeschadet. Bis heute ist die Basilika Wallfahrtsort für viele Katholiken, die das Bildnis Marias als Wunder verehren.

    Mit Hilfe von EU-Geldern soll das Franziskaner Kloster nun saniert und für Touristen attraktiv gestaltet werden. Auf dafür hat Kastner sich als Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe eingesetzt.

    Nach dem traditionell rumänischen Mittagessen im Innenhof der Basilika geht es weiter zum „Haus der Freundschaft“. Hier leben neun von ihren leiblichen Eltern vernachlässigte Kinder und Jugendliche mit den Pflegeeltern Dana und Nicu. Dass die Freundschaft, besonders die Gastfreundschaft, hier ein gelebtes Motto ist, merkt man schnell. Beim Ausladen von Kleidern, Spielsachen und anderem Dingen aus dem deutschen Reisebus packen die Kinder sofort mit an. Im Garten hinter dem Haus stehen Kuchen und Getränke für die Gäste aus Deutschland bereit. Als der Bus zurück zum Hotel fährt, geht die Sonne bereits unter.

    Am nächsten Morgen geht die Fahrt weiter ins 340 km entfernte Baia Mare. Auf der langen Fahrt durch ländliches Terrain bekommt die Reisegruppe einen Eindruck von der Weite des Landes und dem einfachen Leben seiner Bevölkerung. Über holprige Straßen schiebt sich der Bus durch Dörfer mit kleinen Häusern. Äcker, auf denen mit Pferd und Pflug gearbeitet wird, und Felder, auf denen goldene Heuböcke stehen, breiten sich vor dem Busfenster aus. Ein von Pferden gezogener Holzkarren fährt auf der Gegenfahrbahn, hintendrauf sitzt eine fünfköpfige Familie.

    Da ist der folgende Besuch im Dorfmuseum Baia Mares kaum mehr nötig. Dort kommt die Reisegruppe nach acht, anstatt der geplanten sechs Stunden, an. Die in Rumänien geborene Anna Lászlo merkt, dass für ihr Heimatland die Standards von Google-Maps nicht gelten. Damit hatte sie nämlich im Voraus die Fahrzeit berechnet. Anna ist derzeit Stipendiatin des Bundestages und hat die Reise von Berlin aus geplant. Zusammen mit Isabel Richter, die in Berlin studiert und auch im Büro von Susanne Kastner arbeitet, begleitet und leitet sie die Reisegruppe. Immer wenn es Verständigungsschwierigkeiten gibt, springen die beiden ein und dolmetschen. Anna, die gebürtige Rumänin, spricht fließend Deutsch. Isabel, die gebürtige Deutsche, fließend Rumänisch. Die beiden jungen Reiseleiterinnen sind eine wünschenswerte Vision für die weitere Kooperation und das gegenseitige Interesse zwischen den beiden EU-Ländern.

    Am Tag drei der Reise führen sie die Gruppe nach Sighetu Marmatiei im Norden Rumäniens, wo gleich zwei kulturelle Einrichtungen auf dem Programm stehen. Zuerst wird das ehemalige Gefängnis für politische Gefangene zur Zeit des Kommunismus besucht, das zu einem Gedächtnis-Museum umgestaltet wurde. Danach wird das Geburtshaus des Intellektuellen und Nobelpreisträgers Elie Wiesel besichtigt, der mit siebzehn Jahren den Holocaust überlebte.

    Von Sighetu Marmatiei bringt der Reisebus die Gruppe in eine nahe gelegene Kleinstadt, zum „lustigen Friedhof“. Lustig und Friedhof, das scheinen zwei Wörter zu sein, die nichts miteinander zu tun haben – in Rumänien ist das anders. In der kleinen Stadt Sãpânta stehen auf dem Friedhof keine grauen Grabsteine, sondern bunt bemalte Holzkreuze. Die Inschriften darauf verraten etwas über das Leben des Verstorbenen und lassen dabei die Laster und Neigungen nicht aus. So erfährt man zum Beispiel von einem Holzfäller, der gerne mal einen über den Durst trank, oder einer Witwe, die auf Festen alle Anwesenden durch ihren Tanz unterhielt.

    Der folgende Tag ist wohl der, der allen am besten in Erinnerung bleiben wird. Eine Fahrt mit einer alten Dampfeisenbahn von Oberwischau in eine abgelegene Region der Karpaten steht an. Um neun Uhr morgens geht es los, immer am Fluss entlang, hinein ins Gebirge. Die Häuser werden mit der Zeit immer weniger, der Wald immer dichter. Die alte Lok zieht ihre Waggons durch eine beeindruckende Landschaft.

    Plötzlich werden die Reisenden aus dem Staunen gerissen. Der Wagonboden ruckelt und stößt die Menschen hoch und runter, hin und her, irgend etwas stimmt nicht. Ein Erdbeben? Die Fahrgäste schreien, der Zug hält. Der Waggon, in dem die Reisegruppe aus Franken platzgenommen hat, ist entgleist. Doch kein Erdbeben. Die aufgeregte Gruppe steigt um, der entgleiste Waggon wird kurzerhand abgekoppelt, die Fahrt geht ohne Probleme weiter zu einer Lichtung mit Holz-Pavillons. Dort wartet deftiges Essen vom Grill auf die Reisenden. Nach zweistündigem Aufenthalt bei strahlendem Sonnenschein ruft die Dampfpfeife der Lok zur Rückfahrt.

    Aus allen Richtungen kommen Menschen gelaufen und steigen in die fünf Waggons. Wieder geht es am Fluss entlang, die gleiche Strecke diesmal zurück. Plötzlich kommt der Zug zum Stehen. Das Gerücht, dass weiter vorne ein anderer Zug entgleist sei, macht die Runde. Den Reisenden kommt der zusätzliche Halt jedoch nicht ungelegen, sie strömen hinaus, legen sich in die Sonne, halten die Füße ins Wasser und genießen den warmen Tag. Über zwei Stunden dauert der unplanmäßige Halt. Susanne Kastner berichtet, dass es keine weitere Entgleisung gab, die die Weiterfahrt verzögerte. Stattdessen hat eine lokal agierende Mafia Teile der Bahnstrecken mit Holzstämmen blockiert. Es ist nämlich so, dass nur die Wassertalbahn Holztransporte aus den Wäldern tätigt und ihre Inhaber die Gewinne einstreichen. Die so genannte Holzmafia will eine Straße bauen, bekommt aber nicht die notwendigen Genehmigungen. Mit derartigen Blockadeaktionen soll der Druck erhöht werden. Auch das ist Rumänien, wie die Reisegruppe feststellt.

    Satu Mare, eine Stadt mit über hunderttausend Einwohnern im Norden Rumäniens, ist das nächste Ziel. Beim Besuch des Bürgermeisters bricht das politische Interesse und die Diskussionsfreude der Reisenden aus Franken durch. Wie sieht der Bürgermeister die Zukunft seiner Stadt? Wie werden die EU-Gelder eingesetzt? Was wird für die Kinder getan? Der Bürgermeister stellt sich den Fragen und verweist auf mehrere Probleme. Bürokratie und Korruption, das seien die zwei großen Hindernisse.

    Den Rest des Tages stehen soziale Projekte der Hans-Lindner-Stiftung im Mittelpunkt des Interesses. Zunächst besucht die Gruppe eine Tagesstätte für vernachlässigte Kinder. Danach geht es weiter zu einer Tagesstätte für autistische Kinder. Leider sind diese Einrichtungen nach wie vor eine Seltenheit in Rumänien und nur durch Spenden zu finanzieren.

    Am Nachmittag steht eine Einladung vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) auf dem Programm. Bei einem Vortrag lernt die Reisegruppe aus Franken einen interessanten Aspekt in der Geschichte ihrer Landsleute, der Schwaben, kennen. Einige von ihnen, die sogenannten Satmarer Schwaben, wanderten ab dem 18. Jahrhundert in mehreren Wellen nach Rumänien aus. Bis heute gibt es dort viele Menschen, die als zweite Muttersprache deutsch sprechen.

    Der Vorstand des DFDR lädt die Reisegruppe am Abend auf sein Weingut ein. Dort erwartet sie eine Überraschung: eine traditionelle rumänische Musikgruppe steht vor dem Haus in den Weinbergen und empfängt die Gäste mit Gitarre, Geige und Akkordeon. Schon während des Essens heizen sie die Stimmung auf und laufen spielend um die Tische. Danach legen sie richtig los – und die Gäste aus Deutschland auch. Es wird gesungen, getanzt, geklatscht, getrunken und natürlich Wein und Tuicã getrunken. Die letzte Nacht in Rumänien wird ein echtes Fest, mit kreischenden Geigen, gutem Essen und noch besserem Wein.

    Nach einer kurzen Nacht beginnt am nächsten Abend die Rückreise nach Deutschland. Mehr als zwölf Stunden Fahrt liegen vor den Reiseteilnehmern. Aber das ist nicht weiter schlimm und vielleicht sogar gut, um in Ruhe zu realisieren, was man in den sieben Tagen alles erlebt hat. Denn wenn jetzt jemand Zuhause fragt: „Was wolltest du denn in Rumänien?“ Dann wird man kurz lächeln und anfangen zu erzählen ?

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