Sie sind niedlich und hilflos. Ihre großen schwarzen Kulleraugen rühren einen. Die Rede ist von Rehkitzen. Der Gedanke, dass diese kleinen Wesen, die geduckt im Gras liegen, durch ein Mähwerk ums Leben kommen, ist nur schwer erträglich. Seit geraumer Zeit werden Drohnen eingesetzt, mit denen vor dem Mähen die Wiesen aus der Luft abgesucht werden. Das erspart den Landwirten die zeitintensive Absuche des Feldes zu Fuß und ist effektiver. Erstmals wurde nun auch in Oberweißenbrunn eine Drohne eingesetzt, um Rehkitze aufzuspüren und sie vor dem Mähtod zu bewahren.

Die Initiative dazu kam von Jagdpächter Joachim Prüller und dessen Sohn Fabian. Im Zusammenspiel mit den Landwirten habe man überlegt, wie die aufwendige Absuche einfacher gestaltet werden könne und sei schließlich auf die Idee gekommen, selbst eine Drohne anzuschaffen.
Insgesamt wurden rund 300 Hektar mit der Drohne abgeflogen
Beachtliche 300 Hektar waren es schließlich, die Prüller insgesamt mit der Drohne abgeflogen ist. Dazu benötigte er fünf Tage. Lange Tage. Mitunter war er zehn bis zwölf Stunden am Stück unterwegs.
Die Drohne ist mit zwei Kameras ausgestattet, mit einer Wärmebild – und einer normalen Kamera. Joachim Prüller fährt im Wärmebild-Modus Streifen für Streifen der Wiese ab. Das ist gar nicht so einfach und erfordert viel Konzentration. Er muss die Drohne lenken und gleichzeitig den Bildschirm nach weißen, Wärme ausstrahlenden Punkten absuchen. Teilweise hat er dabei Unterstützung von seinem Sohn erhalten, der dann die Bildschirm-Überwachung übernommen hat.

Wird auf dem Bildschirm etwas Weißes angezeigt, dann schaltet der Jagdpächter auf die normale Kamera um, fährt die Drohne herunter und zoomt den Bereich heran, um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ein Rehkitz handelt. Was nicht immer der Fall ist. Deshalb sei es sinnvoll, erläutert er, eine Wiese am frühen Morgen abzusuchen, wenn es noch nicht so warm ist. Wenn sich später zum Beispiel Steine aufheizen, zeigt auch diese die Wärmebild-Kamera. Und jedes Mal muss die Drohne heruntergefahren werden, um nachzuschauen.
Offenbart die Kamera, dass in der Wiese ein Rehkitz liegt, lässt der 67-Jährige die Drohne über dem Bereich stehen und zwei Helfer gehen mit einem Korb in Richtung der so markierten Stelle. Per Funkgerät werden die beiden dann zu dem genauen Platz geleitet.
Eine Rehkitz-Rettung muss ruhig und ohne Hektik ablaufen
"Das Ganze muss ruhig und ohne Hektik ablaufen, um die Aufregung für das Rehkitz nicht zu vergrößern", sagt Joachim Prüller. Die Helfer heben das kleine Tier mit Handschuhen und Gras, um es vor menschlichem Geruch zu schützen, aus seinem Nest in den Korb. Dieser wird weggetragen und der Landwirt kann mähen. Hier sei dann aber schon Eile geboten. Nach zwei bis drei Stunden müsse das Kitz wieder von seiner Mutter gesäugt werden. Ist die Wiese gemäht, wird es zurückgebracht und die Mutter kann zu ihrem Jungen.

"Mit diesem System ist allen gedient", betont der Rentner. Dem Landwirt, der zur Absuche verpflichtet ist und mit einem guten Gefühl seine Wiese mähen kann, ihm als Jagdpächter selbst auch und natürlich den Tieren, die dadurch mehr Sicherheit bekommen.
Die jungen Rehe haben noch keinen Fluchtinstinkt und laufen nicht davon
Rehe gebären ihre Jungen im Feld, bleiben aber nicht dauerhaft bei ihnen. Die ersten Wochen nach der Geburt strömen die kleinen Rehkitze noch keinen Geruch aus und haben auch keinen Fluchtinstinkt. Dadurch werden Beutegreifer nicht so schnell auf sie aufmerksam. Würde das Muttertier bei seinem Jungen bleiben, nehme dieses den Geruch der Mutter an und sei damit für andere Tiere leichter auszumachen.

Während der ganzen Rettungsaktion bleibe die Geiß ganz in der Nähe im Hintergrund und zeige sich nicht, weiß Joachim Prüller aus Erfahrung. Das Rehkitz selbst würde sich nicht wehren und die Aktion über sich ergehen lassen. Sei aber alles vorbei, schreie es nach der Mutter, die dann auch so bald wie möglich wieder zu ihrem Jungen geht.
Die Gebärzeit fällt genau in die Zeit der Silo-Mahd
Die Gebärzeit der Rehe beginne, so der Jagdpächter, in etwa Ende April und reiche in den Juni hinein. Das sei genau die Mähzeit für das Silo. Bei der Absuche gehe es nicht nur um Rehkitze, sondern auch um Gelege von Hasen oder Vögeln. Stoße man auf ein Nest von Vögeln, die unter Naturschutz stehen, dürfe dieses nicht angetastet werden, erläutert Prüller. Das wird dann mit einem Pfahl markiert und der Landwirt mäht um es herum.
Zum Führen einer Drohne muss ein Führerschein absolviert werden
Nicht nur Joachim Prüller hat einen Drohnen-Führerschein absolviert, sondern auch sein Sohn Fabian. Dessen Firma Jagdfux in Oberweißenbrunn hat auch die Kosten der Drohne übernommen. "Die abzusuchenden Flächen sind so groß, wir mussten uns etwas einfallen lassen", erklärt dieser. "So geht es viel besser und einfacher."

Was sagen die Landwirte zu dem Drohnen-Einsatz? "Das ist für uns eine Hilfe, die gut funktioniert", sagt Jan Zachmann. Es sei einfacher, schneller und sicherer. Dem pflichten Julius Eisenmann, Vorstand der Jagdgenossenschaft Oberweißenbrunn, und Landwirt Wolfgang Reulbach bei. Insbesondere freut Reulbach die gute und harmonische Zusammenarbeit zwischen den Jägern und den Landwirten. Ein großes Lob hat er noch für Joachim Prüller parat: "Ein Anruf genügte, und er kam." Immer habe er sich die Zeit genommen.

Neben den Familien Zachmann und Reulbach, gibt es in Oberweißenbrunn noch die Landwirtsfamilien Benkert und Schmitt, besser bekannt als der Selbstvermarktungsbetrieb "Rhönbauer". Diese stellten die Hilfskräfte für die Aktion. Das waren in diesem Jahr zwölf Personen. Der Drohnen-Einsatz beschränkt sich auf die Gemarkung Oberweißenbrunn. "Mehr geht nicht", meint Joachim Prüller. "Wenn ich nicht Rentner wäre, wäre das schon zu viel."
Wie die diesjährige Bilanz in Oberweißenbrunn ausgefallen ist
Wie ist die Bilanz der Premiere ausgefallen? "Sehr gut", sagen Joachim und Fabian Prüller. Kein einziges Rehkitz wurde beim Mähen verletzt oder getötet. Sechs Kitze konnten gerettet werden.
Angesichts des Erfolges werden im nächsten Jahr natürlich wieder die Wiesen mit der Drohne abgesucht. Die Prüllers habe auch schon Pläne. Wurde dieses Jahr die Drohne noch manuell gesteuert, so soll sie im nächsten Jahr über GPS gesteuert allein die Flächen abfahren. Auch wollen sich Vater und Sohn einen größeren Bildschirm zulegen, um die Anstrengung für die Augen zu verringern.
Das sind Investitionen, die sich lohnen - für den Jagdpächter, die Landwirte und nicht zuletzt auch für die Rehkitze.