Die Frage, ob Oberhof ganz oben in der Liga der Spitzensport-Standorte spielt, oder nicht, ist eine Frage der Perspektive. Wenn es nach den Politikern in der Landeshauptstadt Erfurt und im Landkreis Schmalkalden-Meiningen geht, ganz sicher. Das sieht man jedes Jahr aufs Neue beim Biathlon-Weltcup und konnte man nun auch wieder beim Skitunnel beobachten, einem 14-Millionen-Euro-Projekt für Biathleten, Langläufer und nordisch Kombinierer. Doch hinter den Kulissen fragen sich die Bürger der 1650-Einwohner-Stadt im Herzen des Rennsteigs schon lange, ob das mit den Visionen immer so eine gute Sache ist, wenn die Arbeit an der Basis vernachlässigt wird.
Ein Beispiel ist die Rennsteig-Therme. Die Betreiber-Gesellschaft stand vergangenes Jahr vor der Insolvenz. Das wurde verhindert, seit Herbst 2008 ist das Bad geschlossen. Offizielle Begründung: Sanierung mit anschließender Wiedereröffnung in neuem Glanz. Bei einer Einwohnerversammlung musste sich Bürgermeister Thomas Schulz einige kritische Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel die nach den Kosten: 2006 betrug das Defizit 575 000 Euro, 2007 fast eine Million Euro, 2008 dann 757 000 Euro. Viele Oberhofer fürchten, das Bad könne womöglich gar nicht mehr eröffnet werden. Schulz wird im Freien Wort zitiert: „Die Therme ist nicht abgeschrieben. Aber ich bin eher dafür, dass das Bad ein halbes Jahr später aufmacht als dass es drei Jahre später wieder zumacht.“ Angeblich beginnen die Arbeiten im Herbst 2009, im Herbst 2010 soll Wiedereröffnung sein. Der Oberhofer Gewerbeverein mit seiner Vorsitzenden Tina Kaspar hat bereits mehrfach seine große Sorge über die weitere Entwicklung ausgedrückt. Gerade die Hotellerie müsse wissen, wie es mit dem Bad weitergehe, um zu wissen, wann man wieder damit werben könne. Warum ein Schwimmbad, das 1996 erst eröffnet wurde, jetzt schon wieder so marode ist, dass es generalsaniert werden muss, diese Frage stellen sich nicht nur die Oberhofer. Das Stuttgarter Architekturbüro Deyle hatte das Bad geplant und gebaut. Es gibt Gerüchte, man habe am Material gespart. Spötter behaupten, so hätte man die Intervalle zur Sanierung nach unten gedrückt, um schneller wieder daran zu verdienen.
Für die Betreibergesellschaft waren vor allem die horrenden Nebenkosten im sechsstelligen Bereich ein großes Problem. Da das Büro im Besitz der Pläne ist, wurde ihm nun auch der Auftrag zur Sanierung übertragen.
Das Architekturbüro spielt auch eine Rolle in zwei pikanten Gerichtsverfahren, in die Bürgermeister Schulz und Wolfgang Filbrich, der Leiter des Olympiastützpunktes Oberhof, verwickelt sind. Schulz und zwei Mitarbeitern des Architekturbüros wurde vorgeworfen, die Stadt Oberhof um 40 000 Euro geschädigt zu haben. Schulz hatte vor seiner Wahl zum Bürgermeister ein Elektrogeschäft und soll gemeinsam mit den beiden Deyle-Mitarbeitern beim Bau des Biathlon-Stadions und der Rodelbahn zwischen 2002 und 2003 betrügerisch gehandelt haben. Das Landgericht Meiningen hatte ihn und die zwei Mitangeklagten in einem teils turbulenten Prozess im Herbst freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft legte Revision ein, über die bisher nicht entschieden ist (wir berichteten).
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen Wolfgang Filbrich, und auch hier spielt das Architekturbüro, das schon zu DDR-Zeiten in Oberhof tätig war, eine Rolle. Filbrich wird verdächtigt, im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Skitunnels Bestechungsgelder von Deyle angenommen zu haben. Filbrich und das Büro bestreiten die Vorwürfe heftig. Der Stützpunktleiter betont, die Ermittlungen würden seine Unschuld vollumfänglich beweisen. Die Staatsanwaltschaft erklärt dagegen, im Rahmen der Prüfung der Kontodaten in den vergangenen Monaten habe sich der Verdacht erhärtet. Einen Prozesstermin gibt es noch nicht, genauso wenig wie einen Termin für die Eröffnung der neuen Therme.