Heiko Bartholomäus war 17 Jahre alt, als in Berlin die Mauer fiel. SED-Funktionär Günter Schabowski hatte gerade verkündet, dass die neuen Ausreiseregelungen der DDR „ab sofort“ gelten. „Ich hab das zunächst gar nicht mitbekommen, weil ich mit meinen Kumpels unterwegs war“, erinnert sich der Thüringer, der seit knapp einem dreiviertel Jahr Bürgermeister der im ehemaligen Grenzgebiet liegenden Stadt Römhild ist.
Kurz darauf hat der heute 47-Jährige die ganze Tragweite von Schabowskis Mitteilung begriffen. Die Grenze zur Bundesrepublik war von einem Tag auf den anderen durchlässig geworden. Eine Woche nach dem Fall der Mauer fuhr Bartholomäus mit der ganzen Familie nach Würzburg, um sich einmal in der nächstgelegenen bundesdeutschen Großstadt umzusehen. „Wir bekamen große, staunende Augen, als wir zum ersten Mal ein großes westdeutsches Kaufhaus betraten“, erinnert sich Bartholomäus. „Für mich war das damals alles sehr imposant“.
Mutter verlor ihren Job
Die Einführung der D-Mark im Juli 1990 und die kurz darauf folgende Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten lösten weitere Euphorie-Wellen aus. Sie sollten nicht bei allen Ostdeutschen lange anhalten. Der Schwenk vom Sozialismus zum Kapitalismus traf auch viele Thüringer in wirtschaftlicher Hinsicht hart. Während Heiko Bartholomäus das Glück hatte, seine Lehre als Werkzeugmechaniker im Meininger Dampflokwerk abschließen zu können, um kurz darauf als Zeitsoldat bei der Bundeswehr anzufangen, verlor seine Mutter ihre Arbeit. Sie war damals als Keramikmalerin in einem großen Töpferhof in der Stadt Römhild beschäftigt, die bis heute zu den Keramikhochburgen in Deutschland zählt. Auch sein Vater musste sich beruflich umorientieren. „Alles in allem haben meine Eltern die schwierigen Jahre nach der Wende aber einigermaßen überstanden“, so der Römhilder Bürgermeister.

Tatsächlich hat sich 30 Jahre nach der Grenzöffnung mit all ihren gravierenden Einschnitten für die Menschen im Osten Deutschlands zwar noch nicht alles, aber schon sehr viel normalisiert - auch in Römhild. „Die Arbeitslosigkeit hier bei uns ist heute niedriger als in manchen Städten in Westdeutschland“, weiß Bartholomäus. Der Bevölkerungsschwund sei zwar noch nicht gestoppt, falle aber längst nicht so gravierend aus wie anderswo in den neuen Bundesländern. „Das liegt wohl daran, dass Römhild direkt an der ehemaligen Grenze liegt“, meint der zweifache Vater, der mit seiner Familie im Römhilder Ortsteil Milz lebt.

Umbrüche hautnah miterlebt
Auch wenn Heiko Bartholomäus erst seit einigen Jahren in der Kommunalpolitik tätig ist: Als gebürtiger Römhilder hat er die Umbrüche und Veränderungen in seiner Heimatstadt hautnah miterlebt. Während vor der Wende „hier alles grau war“, wie er es ausdrückt, habe sich vor allem in den letzten zehn, 15 Jahren doch vieles zum Besseren gekehrt. "Trotzdem gibt es natürlich immer noch große Herausforderungen." Als Beispiele nennt er die Neugestaltung des Römhilder Viehmarktes, die Erschließung des neuen Gewerbegebietes und die weiteren Sanierungsmaßnahmen auf Schloss Glücksburg.