Kaum hat sie den ersten Schock verdaut, geht Sabine Fuchs zwei Tage später in den Keller, um sich um die Wäsche zu kümmern. Plötzlich vernimmt ihr Ehemann Harald einen lauten Schrei aus dem Untergeschoss. „Harald, komm sofort runter! Da ist schon wieder so ein Vieh!“
Und tatsächlich, unbeeindruckt von dem großen, schreienden Wesen über sich, schleicht eine kleine Ringelnatter an der verängstigten Frau vorbei. „Mittlerweile haben wir schon acht Jungtiere aus unserem Keller geborgen“, berichtet der Hobby-Imker Harald.
Die Nachwuchs-Schlangen begeben sich ab Anfang September auf die Suche nach einem geeigneten Winterquartier. Haben die Tiere nicht das besondere Glück, auf eine so gastfreundliche Familie zu stoßen, ziehen sie sich normalerweise in Komposthaufen, Erdhöhlen, Laubhaufen oder Ähnliches zurück.
„Das Problem am Hauskeller ist, dass es dort zu warm ist und die Schlangen nicht in die Winterstarre fallen“ erklärt Fachreferent für Naturschutz, Michael Krämer, vom Landratsamt in Bad Neustadt.
Bleibt der Winterschlaf aus, verhungert der schuppige Nachwuchs, denn im Keller finden sie keine Kaulquappen, Regenwürmer oder Larven. „Man kann die Tiere zu dieser Jahreszeit aber noch ohne Bedenken aussetzen, sie finden problemlos ein geeignetes Quartier für die kalte Jahreszeit,“ teilt Krämer der verunsicherten Hausbewohnerin mit.
Die „Natrix natrix“, wie die Ringelnatter mit der wissenschaftliche Bezeichnung genannt wird, ist neben der Kreuzotter eine der bekanntesten Schlangen in Deutschland. Gleichzeitig ist sie auch eine der häufigsten. Die Schlangenart, bei der die Weibchen bis zu zwei Meter lang werden können, haben ihren Hauptlebensraum in ganz Europa, vor allem in der Nähe von Gewässern. Dort jagen sie im Sommer vorwiegend Amphibien, aber auch Fische.
Familie Fuchs hat ihr Haus nahe des Bächleins Leinach gebaut, was ihr jetzt quasi zum Verhängnis geworden ist. Die Exemplare, die sich in ihren Keller verkrochen haben, sind etwa 25 Zentimeter lang. Anhand der auffälligen Halbmond-Kennzeichnung am Kopf konnte die Familie das Tier sofort bestimmen. Der Lexikon-Eintrag sorgte für eine gewisse Erleichterung bei den aufgeregten Findern: „Eine Ringelnatter beißt einen Menschen nur selten und verfügt über eine schwache, für den Menschen ungefährliche Giftdrüse.“ Was der Familie eher als Plage erscheinen mag, ist für den Fachreferenten ein wahrer Segen. „Wir haben in Rhön-Grabfeld eine Kartierungslücke für das Vorkommen von Ringelnattern.“ Bisher konnten nur an wenigen Plätzen des Landkreises Abkömmlinge dieser Spezies nachgewiesen werden.
„In dieser Ecke des Landkreises haben wir bisher noch keinen gemeldeten Fund“, so der Vertreter des Landratsamtes. Er ist sehr froh, dass es endlich mal wieder einen Beweis für die Existenz der Tiere gibt. Schließlich stehen Ringelnattern auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten. Er hat sich natürlich nicht lange bitten lassen, persönlich bei Familie Fuchs vorbeizukommen, und sich die Tiere anzuschauen.
Zusammen mit Sabine Fuchs versucht er auf dem Grundstück, das Nest der Schlangen zu finden. Schnell stoßen die beiden auf den Gras-Ablageplatz der Familie. „Grasschnitt ist ein idealer Eiablage-Platz“, so Krämer „da herrscht wunderbare Bruttemperatur!“ Außerdem vermutet der Fachreferent, dass die Jungtiere sich dort auch zum Winterschlaf zurückziehen. Die Familie hat den angestauten Grashaufen erst vor Kurzem zum örtlichen Grün-Ablageplatz gefahren. Krämer ist der Ansicht, dass die Jung-Schlangen dadurch aufgeschreckt wurden und so ins Untergeschoss des Hauses gelangt sein können.
Zur Schlangen–Liebhaberin konnte Sabine Fuchs aber dennoch nicht bekehrt werden und letztendlich konnte der Beauftragte des Naturschutzbunds die Familie nicht ganz beruhigen. „Acht Jungtiere auf einen Schlag ist schon etwas besonderes.“ meint Krämer „Das ist ein optimaler Lebensraum, bestimmt gibt es hier noch mehr Ringelnattern in der Umgebung, natürlich auch größere Exemplare.“