Zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses hatte Mellrichstadts Bürgermeister Eberhard Streit den Diplomgeografen Sebastian Mahrenholz und Projektassistentin Olga Krahn von der Firma Cima in München eingeladen. Mahrenholz ist Projektleitender Berater des Mellrichstädter Stadtentwicklungskonzepts und stellte die Zwischenergebnisse der Aktualisierung des neuen Einzelhandelskonzepts für Mellrichstadt vor.
Streit hob die Bedeutung der Sitzung hervor, da der Stadtrat, wenn er in der nächsten Ratssitzung das Konzept und die künftige Bauleitplanung beschließen muss, dies auf der Grundlage der Entscheidungen des Stadtentwicklungsausschusses tun wird.
„Eine Aktualisierung ist auch nötig, weil sich vieles verändert hat“, so Streit. Als Beispiele nannte er die Fertigstellung des Stadtumbaus, das Bauvorhaben im Riedel-Areal und die Schließung des Drogerie-Marktes Schlecker. „Wir müssen wissen was und wohin wir wollen und die Richtung jetzt vorgeben“, unterstrich Streit. Das Gremium war sich einig, dass der Fokus auf der Innenstadt-Entwicklung liegen müsse.
„Mellrichstadt ist durch den Stadtumbau städtebaulich hochgradig attraktiv“, gab der Fachmann voraus. Allerdings weist die Stadt seit 2000 eine negative Bevölkerungsentwicklung auf. Auch in den nächsten Jahren, bis 2029, soll die aktuelle Einwohnerzahl von 5808 nochmals um 13 Prozent auf 5140 sinken. Damit werde auch die Kaufkraft abnehmen. Ferner werde Mellrichstadt als mögliches Mittelzentrum mit den bestehenden Mittelzentren Bad Neustadt und Meiningen weiterhin konkurrieren müssen.
In der Stadt sind 54 Betriebe auf 15120 Quadratmeter Verkaufsfläche angesiedelt und der Einzelhandelsumsatz beträgt jährlich 43,6 Millionen Euro, immerhin höher als der Bundesdurchschnitt vergleichbarer Kleinstädte. Dort liegt der Einzelhandelsumsatz bei 37 Mio Euro.
Mellrichstadt allein verfügt über eine Kaufkraft von 31,5 Millionen Euro. 14,5 Millionen Euro davon fließen ab in andere Städte und Regionen. Dagegen setzen Umlandbewohner 26,6 Millionen Euro im Jahr in Mellrichstadt um.
Der Einzelhandel muss also aufgrund der Bevölkerungsentwicklung mit einer etwas niedrigeren Kaufkraft zurechtkommen als auch den Abfluss der Kaufkraft durch gezielte, sinnvolle Angebotsergänzungen zu verringern.
Im Bereich Lebensmittel sei der Bedarf abgedeckt, nur die innerstädtischen Verkaufsflächen empfiehlt Cima zu erhalten. Auch in den Segmenten Apotheken, Blumen, Zeitschriften, Schuhe, Bücher und Sportartikel werden keine weiteren Potenziale gesehen. Neue Anbieter würden hier nur vorhandene Geschäfte verdrängen.
Nachfolger für Schlecker
Dagegen bietet etwa der Bereich Bekleidung und vor allem der Bereich „Drogerie und Parfümeriewaren“ noch offene Potenziale. Seit der Schließung des Schleckers in Mellrichstadt ist das Angebot von Drogeriewaren deutlich unterrepräsentiert. Da das Geschäft am Marktplatz zu den umsatzkräftigsten Schleckerfilialen bundesweit gehörte, sieht Mahrenholz hier das größte Umsatzpotenzial. Eine Neuansiedlung in diesem Sortiment sollte aber im Hinblick auf das Konzeptionsziel „Entwicklung der Innenstadt“ nur dort oder im südlichen Bereich der Meininger Landstraße erfolgen.
Auch Bürgermeister betonte, dass der Schleckermarkt viele Käufer in die Stadt gebracht habe. Deshalb habe er sofort nach der Schließung Kontakt mit allen größeren Drogerieketten aufgenommen, um ihnen die Verkaufsräume am Marktplatz anzubieten, erhielt aber von allen eine Absage. Das Problem besteht darin, dass moderne Drogeriemärkte eine Verkaufsfläche von mindestens 650 Quadratmetern und zusätzliche Lagerflächen beanspruchen. Die kann die Innenstadt kaum bieten.
Gerade am Beispiel Drogeriemarkt wurde deutlich, welche schwierigen Entscheidungen hinsichtlich des Stadtentwicklungskonzeptes zu treffen sind. Würde die Stadt einer Drogeriekette die benötigte Verkaufsfläche auf der „grünen Wiese“, etwa in der Nähe des E-Centers, zur Verfügung stellen, würde das die Kaufkraft in der Innenstadt schwächen. „Und das ist nicht unser Ziel“, betonte Streit. Andererseits sei fraglich, ob die Stadt es sich leisten könne, eine Unternehmensanfrage abzulehnen.
„Ich fahre doch lieber ins Mellrichstädter Industriegebiet, als nach Bad Neustadt“, bemerkte Cornelia Geis. Und Brigitte Proß, Geschäftsführerin des Stadtmarketingvereins „Aktives Mellrichstadt“, merkte an: „Wenn wir zu einem Drogeriemarkt im Außenbereich Nein sagen und dieser geht in eine andere Stadt, würde uns das tief treffen.“
Dann sprach der Bürgermeister noch eine ganz andere Möglichkeit an. Im Baden-Württembergischen Erdmannshausen werde in Kürze in den ehemaligen Räumlichkeiten einer Schlecker-Filiale eine genossenschaftlich organisierte Drogerie eröffnet. Streit hält ein solches Geschäftsmodell auch für Mellrichstadt denkbar.
Nach weiteren Überlegungen, wo entsprechend große Verkaufsflächen im Innenstadtbereich entstehen könnten, brachten mehrere Gremiumsmitglieder das Areal „Bullenscheune“ nahe der Markthalle ins Gespräch. Auch der Alfons-Halbig-Platz als Standort war Thema, insbesondere auch deshalb, weil der südliche Teil der Meininger Landstraße aufgrund seiner Nähe zum zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt mit aufgenommen wurde.
Streit hofft nun, dass sich der Stadtrat hinsichtlich der zu fassenden Beschlüsse zum Stadtentwicklungskonzept etwas leichter tut.