Eigentlich müsste Herbert Jahn zufrieden sein. Das Geschäft am Marktplatz brummt, wie selten in den vergangenen Jahren. Trotzdem zählt sich der Juwelier gerade „nicht zu den glücklichsten Menschen“. Zum 31. Januar schließt er. Nach 56 Jahren. Es läuft der Ausverkauf.
Herbert Jahn ist 85, seine Frau Marianne nur einige Jahre jünger. Andere genießen in dem Alter längst ihre Rente. Auch für die Jahns wird es Zeit.
Aber das Alter ist nicht der einzige Grund aufzuhören. Herbert Jahn nennt auch „die Zeitumstände“. Und meint damit vor allem das stark veränderte Kaufverhalten.
Viele Kunden lassen sich im Fachgeschäft beraten, passen zum Beispiel Trauringe an. Gekauft werden sie dann im Internet, wo der Schmuck womöglich ein paar Euro weniger kostet.
Noch vor einigen Jahren konnten die Geschäftsleute auf einen großen und sehr treuen Stamm an Kunden zurückgreifen. Wenn Marianne Jahn im Sommer Ware bestellte, wusste sie, dass sie diese spätestens im Weihnachtsgeschäft an bestimmte Menschen verkauft haben würde. Diese starke Bindung besteht gerade zu den jüngeren Kunden nicht mehr.
„Ein Ort mit 6000 Einwohnern und kein Juweliergeschäft. Das ist, was uns schmerzt.“
Geschäftsgründer Herbert Jahn
Aber auch andere Entwicklungen machen dem Juwelierladen zu schaffen. So verkaufte Familie Jahn früher viel Goldschmuck. Ein einträgliches Geschäft. Doch Gold ist derzeit unerschwinglich und aus der Mode. Heute bieten die Jahns sogar Ringe aus Edelstahl an. Die Gewinnmargen sind entsprechend geringer. Auch die WMF-Abteilung für bestimmte Haushaltswaren besteht nicht mehr. „Die suchen sich jetzt Häuser im Möbelhandel.“
Trotz alledem: Herbert und Marianne Jahn gehen ohne finanzielle Sorgen in den Ruhestand. Aber die Schließung tut weh. „Ein Ort mit 6000 Einwohnern und kein Juweliergeschäft: Das ist, was uns schmerzt.“
Herbert Jahn freute sich immer, wenn er den Laden betrat. Er liebte seinen Beruf. Gemeinsam mit seinem Vater und dem Bruder hatte er das Geschäft gegründet, fing am 1. Dezember 1959 dort an. Fortan leitete er es weitgehend allein.
Das Stammgeschäft der Familie lag damals in Ostheim. Die Räume existieren noch; doch die Jahns haben sie an einen anderen Geschäftsmann verpachtet.
Nachdem Herbert Jahn seine Marianne geheiratet hatte, führten die beiden den Laden gemeinsam. Sie meist vorne mit starker Kundenpräsenz, er zuletzt mehr im Hintergrund.
Die Geschäftsaufgabe schmerzt die Jahns auch deswegen, weil sie auf einen Nachfolger gehofft hatten: „Über ein Jahr haben wir es versucht, im Kollegenkreis herumgefragt, sogar einen Vertreter beauftragt.“
Vergebens. Auch Sohn Jürgen wollte es nicht versuchen. „Er ist mit Leib und Seele Optiker und Hörgeräteakustiker. Er macht keine halben Sachen.“ Sein Geschäft nebenan bleibt von der Schließung unberührt.
Das Ehepaar Jahn beschäftigt seit vielen Jahren treue Angestellte: Uhrmacher Peter Langenhan aus Zella-Mehlis, der 25 Jahre dabei ist. Christa Wlost, eine von zwei Verkäuferinnen, ist gar seit 33 Jahren im Unternehmen. Ihre Zukunft ist ungewiss.
Bis Februar bleiben die Mitarbeiter auf jeden Fall im Geschäft. Denn nach der letzten Öffnung am 31. Januar heißt es: auf- und ausräumen.
Danach sind die Jahns Rentner: „Ich weiß nicht, wie das ist und ob ich mich darauf freuen soll“, sagt der Gründer. Im Frühjahr rechnet er mit dem entzugsbedingten Kater.