Im Schlosshotel in Neuhaus ging es nicht etwa um eine touristische oder verkehrstechnische Erschließung, wie sonst häufiger, sondern um eine historisch-kulturelle. Die drei Vorträge dazu lieferten in jedem Fall einen durchaus spannenden Beitrag.
Zur Person Charlotte von Kalb sprach Hans Kleiner, der fast 25 Jahre bei Führungen auf Schloss Waltershausen die Besucher über diese interessante Frau informierte, der im Titan, dem „Kardinalroman“ von Jean Paul, in der Figur der Linda ein literarisches Denkmal gesetzt wurde. Geboren 1761, früh verwaist und ungeschickt verheiratet musste sie mit ansehen, wie ihr nicht unbeträchtliches Vermögen von ihrem Schwager verspekuliert wurde. Den Lebensabend verbrachte sie völlig verarmt am Hof der preußischen Königin.
Trotz einer Augenkrankheit, die ihr das Lesen erschwert und in ihren letzten Jahren zu völliger Erblindung führte, eignete sie sich viel an und konnte in jeder gebildeten Gesellschaft bestehen. In Sprache und Orthographie eher ungelenk, aber wegen ihrer schönen Seele und dem großen Herzen geschätzt, war sie bekannt mit Schiller, Jean Paul, Goethe und Hölderlin, der als Erzieher in das Schloss Waltershausen kam.
Den größeren Rahmen um die individuelle Geschichte herum gab Ines Freifrau von und zu Guttenberg. In der Romantik nämlich fand ein nicht unwesentlicher Paradigmenwechsel in der Konzeption der Frauenrolle statt, Weiblichkeit wurde aus der Beschränkung auf Haushaltsführung und Mutterschaft herausgelöst.
Eine an Geist ebenbürtige Partnerin und Seelenfreundin des Mannes sollte die Frau nun sein – Keuschheit hingegen war keine unbedingte Anforderung mehr. Eine neue Konzeption des Weiblichen war das, die auch auf empörten Widerspruch stieß. Dennoch übernahmen die Zeitgenossinnen der Charlotte von Kalb eine entscheidende Rolle in der literarisch-intellektuellen Welt als Gastgeberinnen der literarischen Salons.
Einen solchen Salon führte Charlotte von Kalb nicht, aber für Schiller und Jean Paul spielte sie als Förderin und Vermittlerin eine nicht unerhebliche Rolle. Vor allem im ersteren Fall kam noch eine leidenschaftliche, aber auf die Dauer eher einseitige Liebe dazu, die durchaus auch Charlotte von Kalb zum Durchbrechen der Konventionen und zur Ehescheidung hätte treiben können – „wenn Schiller sie denn gelassen hätte.“
Dr. Ulrich Möbius schließlich lud ein zu einem kleinen virtuellen Rundgang ins Schloss Waltershausen, dessen Kellergewölbe wohl noch aus dem neunten Jahrhundert stammen. „Patchwork“ zeichne den Bau aus, der in den Grundzügen ab 1619 errichtet, im Folgenden aber immer wieder verändert wurde, zum Beispiel durch die vier Rundtürme oder ein an der Ostseite angebautes Stiegenhaus.
Der Höhepunkt des Schlosses ist nach wie vor der Rokoko-Festsaal im zweiten Stockwerk mit seiner in den Dachstuhl hineingewölbten, reich stuckierten Decke. Desto trauriger, dass auch dort einmal Hakenkreuzfahne und Führerportrait hingen, wie ein historisches Foto bewies.
Und auch auf den Mord im Schloss von 1932 fiel ein Seitenblick, der ein unschönes Beispiel für die Korrumpierung der Justiz durch den Nationalsozialismus liefert. Dass der Anwalt des damals Angeklagten, der sich durch ein antisemitisches Buch über die „Hofjuden“ nicht eben mit Ruhm bekleckert hat, es dann noch zum Rechtsbeistand von Franz Josef Strauß gebracht habe, sei bisher noch nicht bekannt, so Dr. Ulrich Moebius.
Viele Informationen, viele Eindrücke und Einblicke gab es also, sodass beim anschließenden Schlossgespräch im Foyer des Schlosshotels für reichlich Gesprächsstoff gesorgt war.