(reg) „Wir gehen, um zu bleiben“, sagte Dr. Diethelm Schorscher, Hausarzt in Pfarrweisach, dem es genau so ergeht wie seinen Kollegen: Er lebt unter ständigem Druck, mit überbordender Bürokratie und mit der Unmöglichkeit, mit einem minimalen Budget einen Patienten ordentlich behandeln zu können. Über die Protestwelle der Hausärzte informierte Schorscher bei einem Vortrag, den er auf Einladung des Sulzdorfer Vereins „Pro Bürger“ im Gemeindezentrum hielt.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Udo Müller versuchte der Referent, die schwierigen Verhältnisse auf dem Gesundheitssektor ein wenig zu beleuchten. Ein „Topf“ von jährlich 250 Milliarden Euro weckt Begehrlichkeiten und es ist unverständlich, welche Prioritäten bei der Verteilung gesetzt werden. Da würden „Krankenkassenpaläste“ gebaut, 1,9 Milliarden ausgegeben, um eine E-Card, die alle Daten eines Patienten speichert, zu entwickeln und anwendbar zu machen, berichtete Schorscher, aber ein Hausarzt soll mit 15 Euro im Monat einen Patienten ordnungsgemäß versorgen. Werden notwendige, aber angeblich zu teure Medikamente verschrieben, werden sie dem Arzt abgezogen. Seiner eigenen Praxis flatterte beispielsweise kürzlich eine Rückforderung von 160 000 Euro für ein Jahr ins Haus.
Alle Abrechnungen laufen über die halbstaatliche KVB (Kassenärztliche Vereinigung), in der die Ärzte zwangsweise Mitglieder sind. Sie fühlen sich jedoch von der KVB nicht gut vertreten.
„Wir haben die Pflicht, die Patienten vor Gefahren und Nebenwirkungen zu warnen“, sagte Schorscher, der erklärte, wie die Hausärzte langsam aber sicher in den Ruin getrieben werden. Viele stehen kurz vor dem Ruhestand und finden keinen Nachfolger, der bereit ist auf dieser Basis zu arbeiten und Hausbesuche zu einem Preis zu machen, über den jeder Handwerker lachen würde. „Wir leisten einen Rundum-Service mit Hausbesuchen auch mitten in der Nacht, versorgen wohnortnah unsere Patienten, machen Wochenend-Bereitschaftsdienste und bieten den Sprechstundenhelferinnen Arbeitsplätze“, zählte der Referent auf.
28 Euro pro Patient und Monat fordern die Hausärzte, damit könnten sie auskommen. „Das ist weniger als eine Flatrate kostet“, so der Referent.
Den Lokalpolitikern vor Ort gibt er keine Schuld, letztendlich habe die Bundespolitik zu der jetzigen Misere beigetragen, außerdem stoße er bei seinen Recherchen unverhältnismäßig oft auf den Namen Bertelsmann.
Schorscher machte klar, dass es hier jedoch nicht allein um eine angemessene Bezahlung dieser verantwortungsvollen Tätigkeit der Ärzte gehe, sondern dass es gelte, amerikanische oder britische Verhältnisse abzuwehren. „Wenn der Hausarzt nicht mehr auf dem Land praktiziert, entstehen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in den Städten. Das bedeutet weite Fahrten zu einem Arzt, unter Umständen lange Wartezeiten, ein persönlicher Bezug kann kaum aufgebaut werden, weil immer ein anderer Dienst hat. Und wer außerhalb der Öffnungszeiten krank wird, muss warten oder ein Krankenhaus aufsuchen“.
Was auf den ersten Blick als angenehm empfunden wird, beispielsweise ein breites Facharzt-Angebot unter einem Dach, vom Gynäkologen bis zum Augenarzt, bedeute in der Praxis, dass diese von den dezentralen Standorten abgezogen werden. Die Bad Königshöfer, die bis heute eine eigene Augenärztin haben, müssten dann nach Bad Neustadt fahren.
„Wir sorgen uns um das Wohl unserer Patienten und wollen den Zug aufhalten“, sagte Schorscher. „Wenn wir nichts unternehmen, werden zuerst die Hausarztpraxen und dann die Facharztpraxen verschwinden.“ Er berichtete von der geplanten kollektiven Rückgabe der Kassenzulassungen durch die Hausärzte, die dadurch erreichen wollen, dass das so genannte „Systemversagen“ eintritt und die Ärzte direkt mit den Krankenkassen, ohne die KVB, auf Augenhöhe verhandeln und dann unter neuen Bedingungen arbeiten können.
Die Drohung, dann die medizinische Versorgung durch Ärzte aus Polen und der Tschechei zu organisieren, findet Schorscher lächerlich. Diese Ärzte ziehe es in Länder, in denen sie besser behandelt und bezahlt werden.
In verschlossenen Umschlägen haben bisher 52 Prozent der bayerischen Hausärzte innerhalb des „Korbmodells“ ihre Zulassungsrückgaben bei einem Notar hinterlegt. Mindestens 70 Prozent müssen mitmachen, damit das „Systemversagen“ auch sicher ist. Der Korb wird erst dann geöffnet und übergeben. Rund 75 Prozent der Hausärzte aus dem Landkreis Haßberge sind bisher dabei, aus Rhön-Grabfeld rund 40 Prozent. „Wir wollen weiterhin für unsere Patienten die freie Arztwahl, Datenschutz und ein Vertrauensverhältnis zu einem wohnortnahen Arzt, der auch Hausbesuche macht“, erklärte Schorscher.
Im Blickpunkt
Was können Patienten tun?
Was die Patienten tun könnten, um die Hausärzte zu unterstützen, wurde in der sich anschließenden Diskussion gefragt. Neben der Beteiligung an einer laufenden Unterschriftenaktion empfahl Schorscher, an der Patienten-Großdemonstration am kommenden Samstag, 7. Juni, im Olympiastadion in München, 11 bis zirka 13.30 Uhr, teilzunehmen, die von einer Patienten-Initiative organisiert wurde. Mehrere Busse fahren dorthin, bei Nachfrage (bei Regiobus Rhön-Grabfeld Tel. (0 97 76) 70 90 444 könnten noch weitere organisiert werden. Infos über Mitfahrmöglichkeiten in den gecharterten Bussen gibt es auch bei Dr. Ruth Maisch und Dr. Klaus Sperrfechter in Fladungen sowie bei Dr. Wolfgang Schneider in Ostheim.