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Sechs starke Frauen und ihre 10 000 Babies

Bad Königshofen

Sechs starke Frauen und ihre 10 000 Babies

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    Geballte Fachkompetenz rund um den Nachwuchs: Die Hebammen Barbara Eschenbach, Petra Balling, Doreen Debertshäuser und Sibille Lenz (von links),
haben zusammen rund 7500 Babies auf die Welt geholfen. Petra Balling mit 27 Dienstjahren bringt es allein auf 4000 Geburten. Gemeinsam mit den
beiden Kolleginnen auf dem unteren Bild kommen die sechs Hebammen auf rund 10 000 Geburten.
    Geballte Fachkompetenz rund um den Nachwuchs: Die Hebammen Barbara Eschenbach, Petra Balling, Doreen Debertshäuser und Sibille Lenz (von links), haben zusammen rund 7500 Babies auf die Welt geholfen. Petra Balling mit 27 Dienstjahren bringt es allein auf 4000 Geburten. Gemeinsam mit den beiden Kolleginnen auf dem unteren Bild kommen die sechs Hebammen auf rund 10 000 Geburten. Foto: FOTO HELMUT GLAUCH

    "Nicht nur der Beruf, sondern auch die werdenden Mütter haben sich gewandelt", fügt Petra Balling hinzu. Mit 27 Berufsjahren und Tausenden von Geburtsbegleitungen hat die Höchheimerin die meiste Berufserfahrung. "Die Frauen und auch die Männer haben im Vorfeld einer Geburt sehr viel gelesen, sich mit Fachwissen vollgepackt und kommen oft mit ganz konkreten Vorstellungen in den Kreißsaal", fügt sie hinzu. Wenn dann nicht alles "nach Anleitung" vonstatten gehe, müsse man manchmal bremsen, sanft, aber bestimmt in eine andere, weil in diesem Fall mögliche Richtung lenken und Frauen daran erinnern: "Du kannst dein Kind nicht mit dem Kopf gebären". Nicht umsonst spricht man von "Kopfgeburt", wenn etwas vom Verstand her, und "vom Bauch heraus", wenn etwas vom Gefühl her gelöst wird. Und Geburten sind nun mal "Bauchgeschichten".

    "Frauen sollten wieder mehr auf ihre Instinkte und Gefühle hören"

    Hebamme Doreen Debertshäuser

    "Die Frauen sollten wieder mehr lernen, auf ihre natürlichen Instinkte zu vertrauen, im wahrsten Sinn des Wortes loszulassen, sich fallen zu lassen, die Dinge so laufen zu lassen, wie sie seit Anbeginn der Menschheit nun mal geschehen", fügt Doreen Debertshäuser (Bad Königshofen) hinzu und wird in dieser Ansicht von Barbara Seufert-Sell unterstützt. Dazu sei es eben manchmal auch nötig, ein gewisses Urvertrauen in die natürlichen Abläufe einer Geburt zu entwickeln.

    "Man ist heute viel flexibler, was die eigentliche Geburt angeht", fügt Barbara Eschenbach, Hebamme aus Ipthausen, hinzu. Noch vor einer Generation war es relativ normal, dass Kinder im Bett zur Welt kamen. Heute kommen immer mehr Kinder im Wasser zur Welt. Im Fachjargon, so Hebamme Barbara Seufert-Sell aus Bad Königshofen, spricht man deshalb von "Geburten zu Wasser und an Land".

    Überhaupt habe sich viel verändert in den Kliniken, ist von allen Hebammen zu hören. "Die Geburt eines Kindes ist für eine Frau, für den Mann und oft für die ganze Familie eines der schönsten Erlebnisse im Leben". Dieses emotional hochwertige Erlebnis fand viel zu lange im weiß gekachelten, sterilen Kreißsaal statt. Heute habe man in den meisten Kliniken wohnliche und farbenfrohe Geburts-Abteilungen geschaffen, wo die werdende Mutter, unterstützt von Hebamme und einer weiteren Person ihres Vertrauens (Mann, beste Freundin, nahe Verwandte) relativ entspannt von der Wanne zum Bett wechseln könne. "Die Männer sind heute nicht nur geduldet, sondern oft richtig wichtig", so Doreen Debertshäuser und Barbara Eschenbach. "Männer können sich nützlich machen, ihrer Frau sanft den Rücken massieren, aber vor allem seelischer Beistand sein". Die Zeiten, in denen Männer mit bleichem Gesicht und weichen Knien den Kreißsaal fluchtartig verlassen, seien vorbei. "Die Männer in der Geburtsvorbereitung die Pressatmung üben zu lassen, ist aber völliger Quatsch", weiß Barbara Seufert-Sell. Die Kinder bringe nach wie vor die Frau auf die Welt und es mache keinen Sinn, wenn der Mann neben ihr her hechle. Alles was der Mann tun kann, und das sei nicht zu unterschätzen, sei die Frau auf dem Weg zu diesem außerordentlichen "Erfolgserlebnis Geburt" zu begleiten.

    Doch die optimale Betreuung einer werdenden Mutter fängt lang vor der Geburt an und hört auch nicht wenige Tage nach der Geburt auf. "Gut ein Drittel der Frauen wissen gar nicht, was ihnen an Leistungen und Vorsorge eigentlich zusteht", so Barbara Eschenbach. Sie geht so weit, sogar schon in Schulen im Rahmen des Aufklärungsunterrichts ihr Fachwissen anzubieten. "Da finden sich enorme Informationslücken und der Bedarf an kompetenter Aufklärung ist groß".

    "Viele Frauen wissen nicht, welche Hilfsangebote ihnen eigentlich zustehen"

    Hebamme Barbara Eschenbach

    "Schon ab der fünften Schwangerschaftswoche", so Barbara Seufert-Sell, die selbst intensiv in der Vor- und Nachsorge und der Geburtsvorbereitung für Paare tätig ist, "haben die Frauen Anspruch, sich beraten und begleiten zu lassen".

    Eine Beratung, die durchaus nicht nur praktischer, sondern auch psychologischer Natur sein kann. "Als Hebammen bekommen wir genau mit, wenn Frauen aufgrund eines ungeplanten Kindes in wirtschaftliche Schwierigkeiten und damit ins Grübeln kommen", weiß Heike Günsch, Hebamme aus Aubstadt aus eigener Erfahrung.

    Alle Hebammen kennen die Ängste, die werdende, vor allem junge Mütter plagen. "Komm ich wieder in meinen Job rein, kann ich später Arbeit und Kind miteinander vereinen, oder werde ich als Hausfrau vom Leben abgehängt?". Nicht umsonst hat sich das Durchschnittsalter Erstgebärender bei "um die 30" eingependelt. Kinder, das ist leider so, sind nach wie vor ein Armutsrisiko und deshalb bekommt jede Gesellschaft so viele oder so wenige Kinder, wie sie verdient. "Elterngeld und die Möglichkeit, Betreuungskosten steuerlich abschreiben zu können, sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur ein Anfang", so Heike Günsch.

    Auch die jungen Leute müssten umdenken und daran glauben, dass eine Familie glücklicher machen kann, als dreimal pro Jahr in Urlaub zu fahren, so die vorherrschende Meinung. Dabei gilt nach wie vor die Formel "Kleine Kinder kosten wenig Geld". Die Industrie stürze sich natürlich gerne mit immer mehr Produkten auf die immer wenigeren Mütter, weiß Sibille Lenz. "Es muss wahrlich nicht das teuerste Püderchen sein, denn meist leistet zum Beispiel Kartoffelmehl genauso gute Dienste."

    Überhaupt mischen moderne Hebammen heute gerne das Wissen der modernen Schulmedizin mit dem traditionellen Wissen der Kräuterfrauen, die im Mittelalter auch schon mal als "Hexe" verbrannt worden sind. "Genau wie jeder Arzt hat auch jede Hebamme irgendwie ihre eigene Art".

    Wichtig, und darin sind sich alle einig, sei, dass zwischen werdender Mutter und Hebamme ein echtes Vertrauensverhältnis besteht. "Ein echter Fortschritt wäre, wenn die Schwangere ihre Hebamme mit in den Kreißsaal bringen könnte", so Heike Günsch. Doch das ist in der Realität nicht der Fall, denn die werdenden Mütter, die von "Hebamme A" optimal auf die Geburt vorbereitet wurden, treffen in der Regel im Kreißsaal auf "Hebamme B", die sie vielleicht noch nie gesehen haben.

    "190,60 Euro Fallpauschale pro Klinik-Geburt lassen nicht allzu viel Spielraum", wissen die Hebammen. Was die Hebammen da mit reinpacken und wie sie die Geburt anpacken, ist ihre Sache. Im "zweitältesten Gewerbe der Welt" geht es immer um die erhebenden Momente, die der Beginn eines irdischen Daseins mit sich bringt und darum, dass alles gut wird für Mutter und Kind. "Die Frau ist der Bergsteiger, die den Gipfel erklimmen muss, der Mann das Seil, an dem sie sich festhalten darf und die Hebamme der Bergführer, der die Richtung weist, aber nie eine Frau auf den Berg tragen kann", so Barbara Seufert-Sell.

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    An dieser außergewöhnlichen Leistung "Leben in die Welt setzen", hat sich seit Anbeginn der Menschheit nichts geändert. Die Kräuterfrau, die Schamanin oder eben die Hebamme helfen mit Feingefühl, Psychologie, aber auch mit sanfter Autorität den Weg ins Leben zu ebnen. "Dieser Beruf wird ewig eine Frauen-Domäne bleiben", fügt Petra Balling hinzu, denn "männliche Hebammen" sind auch in Zeiten der totalen Emanzipation ein Widerspruch in sich.

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