Neben der Solidarität mit den Spielern, die in den nächsten Wochen zigtausende fröhlich-freche Kids in Meiningen und in Eisenach bei der Stange halten dürfen, steht selbstverständlich die Frage im Saal: Entzückt die von Kerstin Jacobssen (auch Ausstattung) in Szene gesetzte Geschichte die Legionen von Kindern und ihre manchmal überforderten Aufsichtspersonen?
Bereits 60 Minuten Spieldauer sind heutzutage im Genre grenzwertig, was die Konzentration im Kollektiv angeht. Die Vorstellung ist 90 Minuten lang, mit Pause. Das ist keine gute Lösung. Erstens wird die Aufmerksamkeit unterbrochen, zweitens könnte die Geschichte auch in einer Stunde ohne Spannungsverlust erzählt werden.
Eine Mutter (Elke Hartmann) sucht seit Jahren verzweifelt ihre beiden Söhne, die nacheinander im tiefen, dunklen Wald verschwunden sind, als sie jeweils 13 Jahre alt waren und sich als Junghelden Manns genug fühlten. Sie suchten ihren verschollenen Vater, gerieten dabei in die Fänge von Baba Jaga (Hannah Sieh) und fristen nun ein Leben als Ahornbäumchen. Als der dritte, allein zu Hause gebliebene Sohn (Sophie Sörensen) nun ebenfalls den Helden in sich erwachen spürt, macht er sich auf den Weg, um die verschollene Mutter zu suchen. Da ist also was los im dunklen Wald, vor allem, weil sich drei gutmütige Tierchen – Bär, Katze, Hund (Wolfgang Reicher, Pascal Thomas, Monika Haberfellner) – zu den Suchenden gesellen.
So weit so gut. Die moralischen Botschaften sind integriert: Solidarität und Courage verschiedenster Lebewesen und „Wer Böses tut und andere quält, hat Strafe wohl verdient“. Die von dem jungen Julius Trautvetter komponierten Songs sind kleine Ohrwürmer. Die Schauspieler sind klasse, die Hexe ist eine hysterische aber farbenfrohe Zimtzicke, mit offenbar ziemlich eingeschränkter Zauberkraft. Das Bühnenbild könnte einem Sommernachtstraum entsprungen sein. Es gibt berührende und witzige Szenen, wie zum Beispiel die, in der das von Hühnerbeinen getragene Hexenhäuschen erscheint oder der Auftritt einer Mäuseschar, die vom Kater eine Geschichte erzählt bekommt oder das Getue der Hexe, die sich selbst den roten Teppich in Form einer Klopapierrolle ausrollt.
Aber leider gibt es auch in dieser Inszenierung etwas, das auf Kindertheaterbühnen nicht gerade selten vorkommt: Gute Ideen, gute Szenen, gute Spieler sind da, aber keine konsequent dichte Dramaturgie, die den Zauber von Anfang bis Ende hält. Zur Verhinderung von möglichen Leerläufen kommen dann Actiongags zum Einsatz, die mit der Geschichte kaum etwas oder nichts zu tun haben. Oder es schleichen sich dramaturgische und logische Nachlässigkeiten ein, wie etwa eine Dämmerung, die erst einsetzt, nachdem schon eine Weile vorher die Rede davon war. Oder: die Herzlichkeiten beim Wiederfinden eines verlorenen Sohnes werden viel zu schnell überspielt. „Keine Zeit für Sentimentalitäten“, denkt man da etwas sarkastisch, the Show must go on.
Die Kinder bleiben erfreulich aufmerksam, bis zum glücklichen Ende. Trotzdem schleicht sich – zumindest bei manchem Erwachsenen – das Gefühl ein, dass die Geschichte durch einige dramaturgischen Ungereimtheiten an Tiefe und an Zauber verliert. Schön, dass es zum Stück eine gut gemachte CD gibt, auf der das Märchen, untermalt von Klaviermusik, erzählt wird und alle Lieder zu hören sind. Dieses kleine „Hörspiel“ eignet sich hervorragend als Einführung ins Theaterstück – und versöhnt mit ein paar Schwächen im Bühnengeschehen.
Vorstellungen nahezu täglich bis 20. Dezember. Nähere Informationen und Karten unter Tel. (0 36 93) 451 222 oder 451 137. www.das-meininger-theater.de