Der Braun ist wieder da“, heißt es in der Heckmühle, wenn ein monotones „tock, tock, tock“ durch das Schondratal hallt. Wer sich dann in dem rund 30 Häuser zählenden Weiler auch augenscheinlich vergewissern möchte, hält Ausschau nach der Heckmühl-Fahne. „Die hisse ich immer, sobald ich da bin“, sagt Bildhauer Werner Braun. Denn noch pendelt er mit Ehefrau Rosemarlen zwischen Odenthal-Glöhbusch in Bergisch Gladbach und der Heckmühle: „Aber vielleicht ziehen wir irgendwann komplett hierher.“
Das Braunsche Anwesen befindet sich auf einer Anhöhe. Wie den Berg hinunter gekullerte Murmeln liegen Häuser und die kleine Dorfkapelle den Brauns zu Füßen. Der Fahnenmast überragt das Bildhauer-Atelier und ist nahezu überall zu sehen. Was braucht es da schrille Handy-Klingeltöne oder störende Rauchzeichen? In dem kleinen, friedlichen Ort geht es ruhig zu. Es weicht alle Hektik beim Gespräch mit dem Künstlerehepaar.
Der Blick schweift über formschöne Sandstein-Stelen und behauene Wassertröge ins tiefe Schondratal, um wieder hochzufliegen über nicht enden wollende Wälder ringsherum. Die Druckvorlage für die Fahne haben die Brauns entworfen. Außerdem haben sie auch Aufkleber fertigen lassen. Unter dem Wappen von Wartmannsroth, das ursprünglich aus Völkersleier stammt, prangt der Schriftzug Heckmühle. Gedruckt wurden Fahne und Aufkleber im einstigen Geschäft von Werner Braun, der Firma Tecco in Bergisch Gladbach bei Köln.
Mit 71 Jahren ging der 1934 Geborene in Ruhestand, übergab das Unternehmen in jüngere Hände. 62 Mitarbeiter zählt das Foto- und Druckpapiere veredelnde Unternehmen. „Gehandelt wird weltweit“, sagt Werner Braun und beginnt zu erzählen von seinen Wander-, Lehr- und Geschäftsjahren, die für den gelernten Ziseleur in einer Essener Glasfabrik in den 1950er Jahren begannen. Sein Job war das Erstellen von Rohformen. „Ich habe die Rohlinge für Sinalco- und Coca-Cola-Flaschen gemacht.“
Eine Madonna aus Kupferblech steht neben einer halbfertig behauenen Sandstein-Eule im Bildhauer-Atelier. „Das war mein Meisterstück als Treib-Ziseleur, bevor ich Glashüttentechnik studierte“, sagt er beiläufig. Ende der 1960er Jahre wurde aus dem Handwerker ein Kaufmann und Techniker: Braun übernahm die Geschäftsführung eines Unternehmens für Druckereibedarf bis er 1980 gemeinsam mit einem Partner die Firma Tecco gründete.
„Wir haben Tag und Nacht geschuftet“, erinnert sich seine Frau Rosemarlen, die nebenbei im Geschäft mitarbeitete und als Grafikerin für den Lebensunterhalt sorgte. „Irgendwann bekamen wir Kontakt zu den Heidelberger Druckmaschinen und damit war der Sprung nach ganz vorne geschafft.“ Doch der Untergang des Offset-Drucks begann mit dem Siegeszug großer Kopiermaschinen 1989 und forderte eine komplette Neuorientierung. „Wir standen alle im Regen.“
Der Clou, der der Firma Tecco das Leben rettete, war das Weg vom Ein- und Verkauf hin zur Papier-Konfektion. „Wir begannen, uns auf Fotopapier und Fotodrucker zu konzentrieren.“ Ausgelacht habe man sie anfangs. Heute kann der kreative Unternehmer darüber lachen. Rechtzeitig aufhören wollte er immer als Chef. Das hat er geschafft und widmet sich nun seinem Hobby, der Bildhauerei, während seine Ehefrau malt. Im März hatte sie eine Ausstellung in der Hammelburger Bank Schilling.
Werner Braun lernte die Heckmühle als Bub kennen, denn seine Eltern machten hier Ferien. Später pachtete er mit Freunden die Mühle in der Münchau. Vor 20 Jahren kauften die Brauns das Haus in der Heckmühle samt weitläufigem Grundstück. Zwei Ateliers haben sie dazu gebaut. In der Bildhauer-Werkstatt sorgt ein riesiger, gusseiserner Bullerofen für wohlige Wärme an kalten Sommer- und Wintertagen. In Edelstahldosen stehen fein säuberlich aufgereiht alle Arten und Größen von Meisel, Hämmer und Stemmeisen. „Ich habe auch eine mobile Feldschmiede und einen Amboss, um stumpfes Werkzeug wieder aufzuarbeiten.“
Roten und weißen Sandstein behaut Werner Braun. Er hat auch ein eigenes Steinmetzzeichen. Ein W verschlungen in sein Sternzeichen, dem Steinbock. Teils stammen die Steine aus dem Steinbruch zwischen Völkersleier und der Heckmühle. Er gehört seit ein paar Jahren den Brauns und der Familie Bornkessel, die auch in der Heckmühle leben. Sie erhalten und pflegen den Steinbruch, machten daraus ein herrliches Biotop. Kleine Felder mit großen Felsbrocken liegen auf drei Ebenen überwuchert mit Hainen, umgegeben von gepflegten Wiesen und kleinen Tümpeln.
Die Brauns kennen inzwischen alle Familien in der Heckmühle. Behauene Steine von Werner Braun zieren manches Anwesen. Auch das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof in Völkersleier haben er und seine Frau entworfen und gefertigt. Angefangen hat die Bilderhauerleidenschaft mit einem Wassertrog. Das Erstlingswerk steht im Garten und Neptun persönlich scheint auf der Frontseite als Relief zu grüßen. Zwei formschöne Stelen fallen ins Auge. Leichtigkeit und Verspieltheit demonstriert eine Stele aus aufeinandergetürmten weißen Sandsteinwürfeln. Eleganz und Perfektion bekundet die weiter hinten postierte perfekt gewundene Stele aus roten Sandsteinquadraten.
Überhaupt scheinen den einstigen Kaufmann geometrische Formen zu faszinieren.
Ordentlich aufgereiht auf Rostblechsockeln thronen vier geometrische Grundformen: Pyramide, Zylinder, Kegel und Kugel. Das Podest für den Würfel steht schon bereit. Ihn bearbeitet Werner Braun derzeit in akribischer Feinarbeit, klopft in fünf der sechs Würfelflächen aufwändige Muster. Doch Werner Braun arbeitet immer an mehreren Objekten gleichzeitig. Und zwischendurch erfüllt er kleine Bildhauerwünsche der Bewohner seiner Wahlheimat Heckmühle. Und die wissen, wann Werner Braun ansprechbar ist: Immer dann, wenn die Heckmühl-Fahne gehisst ist und „der da oben seine Steine klopft“.