In meiner Kindheit war es Tradition, dass unsere Familie am Abend des 23. Dezember gemeinsam den Baum hereinholte, um ihn zu schmücken.
So geschehen auch, als ich ungefähr zehn Jahre alt war. Der große Moment war gekommen und der Baum lag im Wohnzimmer. Meine Mutter holte den Christbaumständer aus dem Keller, doch der Stamm des Baumes war viel zu dick. Also begann mein Vater, zunächst noch guten Mutes am Stamm des Baumes herumzuwerkeln. Nichts tat sich. Da musste die große Blattsäge herbeigeschafft werden.
Natürlich war das frisch für Weihnachten geputzte Wohnzimmer inzwischen leicht verdreckt und die Nerven der Familienmitglieder wurden immer mehr beansprucht. Mein Vater sägte und sägte, ich wurde immer müder, das Wohnzimmer immer dreckiger und meine Mutter immer nervöser. Die Zeit schritt voran und Mitternacht hatte den Schlag nicht gesehen. Weihnachten war da! Aber der Baum noch weit weg vom "Aufgestellt werden" geschweige denn geschmückt werden. Meine kleine Schwester war inzwischen auf der Couch zwischen den Christbaumkugelkisten eingeschlafen.

Aus purer Verzweiflung und Müdigkeit heraus, schleppte meine Mutter schließlich um 1 Uhr nachts einen vollen Limokasten aus dem Keller in die Wohnung, entnahm eine der Flaschen und stellte kurzentschlossen den Baum in das freigewordene Loch. Ein bisschen schief war das Ganze, aber es hielt. Entnervt hievten wir das gute Stück aufs Weihnachtstischchen und umhüllten den nicht gerade dekorativen Getränkekasten mit diversen Tischdecken.
Nun hieß es, auch wenn es mitten in der Nacht war, das Wohnzimmer vom "halben Wald" zu befreien. Mein Vater machte sich mit den abgesägten Baumteilen auf den Weg zur Mülltonne. Im Dunklen entsorgte er die Äste, doch als er wieder in der Wohnung war, kam der nächste Schreck! Der Ehering war fort! Also tappten wir alle im Schlafanzug, mit Taschenlampen ausgerüstet runter zur Mülltonne und begannen im Geäst zu wühlen. Glücklicherweise hing der Ring an einem der Ästchen und wir konnten nun endlich schlafen gehen.
Geschmückt haben wir den Baum in diesem Jahr erst am 24. Dezember.
Seit diesem Erlebnis achte ich noch heute beim Kauf des Christbaumes auf den Durchmesser des Stammes.
Text: Susanne Langer
Foto: Christoph Langer / Montage: Marina Burger
Susanne Langer (51) ist Konrektorin der Grundschule Bad Neustadt.
In der Kolumne "Rhöner Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.