Weich können die Wintercamper auf dem Campingplatz Bischofsheim bei Minus 13 Grad nicht sein. Feig auch nicht, selbst wenn gerade Kleine Feiglinge die Runde machen. Bei Schnee noch und nöcher sind direkt nach den Weihnachtsfeiertagen an die 20 Wohnmobilisten angereist. Einige haben sogar schon die Weihnachtsfeiertage in Bischofsheim verbracht. Viele planen, dort im Reisemobil ins neue Jahr zu rutschen. „Friert man da nicht, so im Wohnwagen?“ Das sei immer die erste Frage, die Nicht-Camper im Winter stellen, berichten die sechs Herren und zwei Damen, die zwischen Nikoläusen, Weihnachtsbäumen und mit Lichterketten dekorierten Wohnwagen dem Schnee mit Schaufeln zu Leibe rücken. „Dabei ist so ein Wohnwagen doch beheizt, der bringt's problemlos auf 27 Grad.“ Auch draußen wird's so schnell nicht kalt: Vor allem nicht der Truppe von der Partymeile. So, erzählen die Männer und Frauen aus Aschaffenburg, Groß-Gerau, Hamburg, Schweinfurt und Oerlenbach lachend, nenne der Rest des Campingplatzes ihre Wohnmobilstraße. Diesen Winter haben sie eigens eine Schneebar gebaut. Es wärmen also entweder die Arbeiten in und um die Wohnmobil-Vorgärten oder der Glühwein. Frieren tun nur Glüh-Nikolaus und Leucht-Schneemann, die im Tiefschnee sitzend für heimelige Atmosphäre sorgen.
„Mit Wintercampern kommt man leichter in Kontakt“, sind die Partymeiler überzeugt. Manche von ihnen fahren seit 13 Jahren gemeinsam nach Bischofsheim. „In der Zeit ist ein Gemeinschaftsgefühl entstanden.“ Da schaufelt man schon mal füreinander den Schnee vom Vorzelt oder stellt dem Nachbarn – ein Dauercamper, der vor allem am Wochenende da ist – rechtzeitig zu dessen Ankunft die Heizung an. Auch Silvester will die Gruppe auf dem Platz zusammen feiern.
Der 38-jährige Norbert Lipinski und seine Frau Ines verbringen mittlerweile den fünften Winter auf dem Bischofsheimer Campingplatz. Früher ist der passionierte Snowboardfahrer aus Schweinfurt Freitag, Samstag und Sonntag in die Rhön gefahren. „Da hast du schnell 400 bis 500 Kilometer zusammen.“ Camping am Wochenende war für ihn die ideale Lösung. „Vor allem, wenn man sowieso gerne draußen ist.“ Morgens sei man als erster am Skilift. „Abends kannst du auf der Piste aufhören, wann du willst.“
Zu den wenigen Campern, die sogar Heiligabend in ihrem Wohnwagen verbrachten, gehören die 49-jährige Brigitte Aufderheide aus dem Raum Gütersloh und ihr Mann. „Zu Hause hat man wesentlich mehr Stress, hier macht man sich den Stress nicht so“, sagt sie. Den Weihnachtsbaum hat das Ehepaar Aufderheide im Schnee vor dem Wagen aufgestellt. An Heiligabend selbst gab's im mobilen Heim Kartoffelsalat und Heißwurst zu essen, am ersten Weihnachtsfeiertag wurden dort sogar Rouladen zubereitet. Gemütlich war's allemal: Denn für Minustemperaturen ist ihr Gefährt mit Fußbodenheizung bestens gerüstet.
Mit Krücken, der gebrochenen Kniescheibe wegen, humpelt die 51-jährige Christa Engel aus Groß-Gerau über den Platz. Das kaputte Bein konnte sie nicht vom Campen abhalten: „Vieles ist am Campingplatz sogar einfacher, weil ich da auf engstem Raum alles erreiche.“
„Hier lebt sich's anders“, sagt die 67-jährige Dagmar Schmatelka aus der Nähe von Marburg, während sie in der Sitzecke ihres Wohnmobils heißen Kaffee schlürft und durchs Fenster auf den Winter schaut. „Es ist der gewisse Schlendrian“, sagt Ehemann Karl. „Einfach leger“, nennt sie es. Anders, als in all den Arbeitsjahren, müssten sie nun im Wohnmobil nicht mehr aufstehen und geschniegelt und gebügelt durch die Gegend laufen. Seit 30 Jahren kommen die beiden mindestens zwei Mal jährlich nach Bischofsheim. „Es ist die raue Rhön“, sagt er versonnen, „die Rhön muss man lieben“. Besonders das Kloster Kreuzberg. Sind Schmatelkas in Bischofsheim, ist der Gang dorthin Pflicht. Ansonsten begeistern sie sich für Wintersport. Was Dagmar Schmatelka außerdem schön findet: „Hier wird sich mehr unterhalten, weniger ferngesehen.“ Obwohl es den Fernseher natürlich auch im Wohnmobil gibt. Einmal, bei schlechtem Wetter, erinnert sich die 57-Jährige, habe die ganze Familie einen Sissi-Film geschaut. Als am Ende alle schluchzend dalagen, ist der Schneepflug vorbeigefahren. Am nächsten Tag konnten sie Langlaufen. „Hier kann's stürmen, regnen oder schneien, da zieht man sich an und geht raus.“
Draußen stapft der 57-jährige Andreas Grischow, eine Gasflasche in der Hand. Früher ist er weggeflogen, hat seine Urlaube auf Mallorca verbracht. Heute macht er Wintercamping. Die Prioritäten haben sich geändert. „Gas ist am wichtigsten.“ Drei Tage hält so eine Flasche, bei Heizung Stufe zehn. Dann wird's kalt.
Wintercamping in Bischofsheim
„Unsere Exoten“ nennt Campingplatz-Inhaberin Jutta Hahner ihre Wintercamper liebevoll. In der Regel, so Hahner, ist der Wintercamper Stammgast. Zumindest sind es Leute, die sich im Sommer schon von der Wintertauglichkeit des Platzes in Bischofsheim überzeugt haben.
Wegen des heftigen Wintereinbruchs seien in diesem Jahr weniger gekommen als in den Vorjahren. „Viele waren skeptisch, haben die Anreise verschoben, andere haben sie ganz abgesagt.“ Rund 20 Wohnmobilisten waren es am Tag nach den Weihnachtsfeiertagen.
Aus der Patsche geholfen hat Ralf Hahner schon dem ein oder anderen Wintercamper: Den Holländern etwa, die entgegen seiner Warnung versuchten, im Schneechaos abzureisen und nur bis zur Schwedenschanze kamen. Dort musste er die Festgesessenen mit dem Jeep aus dem Schnee ziehen. Weil das Schneeende nicht mit dem Ferienende zusammen fallen wollte, musste ein Niedersachse seinen Wohnwagen in Bischofsheim zurücklassen. Kein Problem, sagten die Hahners, und boten ihm vorübergehend einen kostenlosen Stellplatz an. Bis März nahm der Vielbeschäftigte die Gastfreundschaft in Anspruch.
Der Platz der Hahners ist durchgehend das ganze Jahr geöffnet, der Umsatz wird aber in erster Linie im Sommer generiert: „Winter ist Service, kein Geschäft“, so Jutta Hahner.