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MELLRICHSTADT: Wäsche bügeln und zwei Heiratsanträge

MELLRICHSTADT

Wäsche bügeln und zwei Heiratsanträge

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    Nun ist das Thema Liebe ja ein weites Feld, wie Fred Rautenberg ausführte, und reicht von der Liebe eines Paares über die Liebe zwischen Eltern und Kind, über die christlichen Begriffe von Agape und Caritas bis hin zu seiner Liebe zum Apfelkuchen im Café Art.

    Und Liebe kann gelingen oder nicht, kann Erfüllung oder Leiden mit sich bringen. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, ergänzten die beiden Moderatoren die vorwiegend heiteren bis humorvollen Lesebeiträge um eher melancholische Lieder. Diese wurden live dargeboten von Rudi Glaesner am Klavier; Fred Rautenberg übernahm die Rezitation der Texte. Um eine unmöglich gewordene Liebe ging es da zum Beispiel im schwermütigen „Scarborough Fair“.

    Monika Haid trug drei kleine Episoden aus Axel Hackes Buch „Das Beste aus meinem Leben. Mein Alltag als Mann“ bei. In „Bügeln“ geht es um die Sehnsucht nach Sicherheit und Ruhe, die den Erzähler manchmal erfasst, wenn er mitten in der Nacht aufwacht, aus seinem Alltag herausgerissen, der schwer und verantwortungsvoll ist wie für wohl jeden Menschen. Für ihn manifestiert sich diese Sehnsucht in einem kleinen Schreibwarenladen.

    Für seinen zweijährigen Sohn, der ebenfalls nachts aufwacht und mit ganz ähnlichen Gefühlen zu kämpfen scheint, manifestiert sich die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit in seinem Wunsch zu bügeln. Denn es scheint etwas Meditatives darin zu liegen für das Kind, das Bügeleisen über immer dasselbe kleine Stückchen Stoff zu führen. Und so lässt sein Vater ihn bügeln, nachts um halb vier, und bringt ihn anschließend mit denselben Worten der Liebe wieder ins Bett, die auch seine Frau ihm zuteil werden lässt in solchen Fällen: Dass das Leben ein Abenteuer ist und dass er das alles ganz bestimmt schafft.

    Die Jungfer und der Lebemann

    Klaus Reder hatte sich die Erzählung „Die Jungfrau von Toulouse“ von Honoré de Balzac ausgesucht und führte zurück in Zeiten, in denen die Jungfräulichkeit eines Mädchens (oder doch wenigstens der Anschein davon) ihr größtes Kapital war. Für die Jungfrau von Toulouse ist sie sogar das einzige, das ihre Mutter aber recht gewinnträchtig zu verschachern weiß, als ein alternder Edelmann ein Auge auf das Mädchen wirft und als Zofe in sein Haus holen möchte – eine kaum verklausulierte Umschreibung dafür, dass er dem Mädchen die Jungfernschaft umgehend rauben möchte.

    Ob es nun wirklich so sittsam ist, wie man das von einer Jungfer erwartet? Eher nicht, dafür spricht ihre derbe Sprache, mit der sie sich den Edelmann vom Halse hält, wie auch die Berechnung, mit der sie darauf dringt, erst einmal anständig an den über 70-Jährigen verheiratet zu werden, bevor sie den Wünschen ihres Herren dann doch recht bereitwillig nachzugeben bereit ist. Dass eine Jungfernschaft allerdings doch besser freiwillig verschenkt und nicht verkauft werden sollte, das ist vielleicht die Moral von der Geschichte, denn im entscheidenden Moment verlassen den Edelmann die Manneskräfte.

    Auch in Siegfried Lenz Zyklus Masurischer Geschichten, betitelt mit „So zärtlich war Suleyken“, findet sich eine Liebesgeschichte, die Notburga Hein dem Publikum nahebrachte – und gleichzeitig eine Liebeserklärung des Autoren an seine alte Heimat und die Menschen dort. Josef, vielleicht ein typischer Vertreter derselben, wird heimgesucht von der Liebe, als er Katharina beim Wäschewaschen am Fluss erblickt. Sein nächster Weg führt ihn nicht etwa zu Katharina, sondern zum Pfarrer, um sich den zur Heirat nötigen Taufschein ausstellen zu lassen.

    Was er dann zu Katharina sagen soll, darüber grübelt er lange, und heraus kommt dabei die charmante Aufforderung „Rutsch zur Seite“, als sie wieder einmal am Fluss sitzt. Die weitere Kommunikation läuft ähnlich, wenn das Schweigen denn überhaupt gebrochen wird, in dem beide über halbe Stunden hinweg verharren.

    Liebe ohne Worte

    Die Liebeserklärung und der Heiratsantrag schließlich bestehen in der Aufforderung an Katharina, den Taufschein zu lesen, trotz der inzwischen nach der Wäsche kreischenden Mutter. Wunderbarerweise versteht sie diesen doch recht wortkargen Antrag, was immerhin hoffen lässt für die beiden. Schließlich ist gelungene Kommunikation doch die Voraussetzung für gelungene Liebe – auch, wenn es manchmal keiner Worte bedarf.

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