Waltershausen (RA) "Was ist ein Politiv? Mit dieser Frage wandte sich im September Norbert Dümpert aus Waltershausen an Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert, weil ihm in seiner Heimatgemeinde niemand Auskunft darüber geben konnte, was das Wort bedeutet.
Die umfangreichen Recherchen blieben bisher allerdings ergebnislos, weshalb sich Albert nun an die Öffentlichkeit wendet.
In Waltershausen wurde 1903, also vor genau 100 Jahren, der Verein "Frohsinn", gegründet, dem offensichtlich ausschließlich junge Männer des Ortes angehörten. Sie richteten sich ein Versammlungslokal, das sie "Casino" tauften, ein und regelten das Vereinsleben in einer Satzung. In den jüngst wieder entdeckten Statuten des Vereins aus dem Gründungsjahr 1903 heißt es in Paragraf 2: "Wer vor acht Uhr abends bei einem Mädchen getroffen wird, wird mit 10 Pfennig bestraft. Politiven mit 20 Pfennig. Paragraf 7 bestimmte: "Wenn ein Politiv verschickt wird und länger ausbleibt als eine viertel Stunde, so wird er mit 10 Pfennig bestraft" Paragraf 14 lautete: "Politive werden für Übertretungen außerhalb des Lokals mit dem Doppeltem bestraft". In Paragraf 15 heißt es: "Wenn sich ein Politiv weigert, einen erhaltenen Auftrag auszuführen, so wird er mit 20 Pfennig gestraft".
Der Kreisheimatpfleger wälzte einschlägige Literatur und recherchierte im Internet. Doch was ein Politiv ist, fand er nicht heraus. Er ließ sich eine Ablichtung der Statuten kommen, da er zunächst Zweifel an der richtigen Transkription (das ist eine Schrift in eine andere Schrift übertragen, hier von der deutschen in die lateinische Schrift) hegte. Doch es heißt in den Satuten unzweideutig Politiv, stellte Albert fest.
Nun wandte er sich an das Staatsarchiv Würzburg. Archivoberrätin Dr. Ingrid Heeg-Engelhart und ihren Mitarbeitern ging es ebenso wie dem Archivpfleger. Sie fanden ebenfalls trotz intensiver Recherchen nicht des Rätsels Lösung und teilten mit, dass auch die Überprüfung einiger Akten zu Vereinsgründungen im Altlandkreis Königshofen aus der Zeit um 1900, wie zum Beispiel des Liederkranzes Saal 1882, des Cäcilienvereins Kleineibstadt 1910 oder des Veteranen- und Kampfgenossenvereins Waltershausen 1890 keinerlei Hinweise erbrachten. Frau Dr. Heeg-Engelhart riet Reinhold Albert sich mit dem Leiter des Forschungsprojektes "Sprachatlas von Unterfranken", Professor Dr. Norbert Richard Wolf von der Universität Würzburg in Verbindung zu setzen.
Doch auch dieser hat bislang sprichwörtlich auf Granit gebissen und teilte nunmehr mit, dass der Begriff Politiv auch bei ihm eine große Ratlosigkeit erzeugt habe. Er kenne ebenfalls nicht das Wort und habe es auch in historischen Rechtswörterbüchern nicht gefunden, obwohl es ja eindeutig dem juristisch - administrativen Bereich entstamme. Prof. Dr. Wolf stieß bei Eingabe dieses Wortes in eine sogenannte Internetsuchmaschine insbesondere auf eine größere Menge Hinweise auf dänische Internetseiten. Deshalb wandte er sich an einen dänischen Kollegen und bat um Mithilfe. Dieser teilte ihm nunmehr mit, dass auch dort dieses Wort unbekannt sei. Gegenwärtig korrespondiere er wegen dieses rätselhaften Wortes mit weiteren Rechtshistorikern.
Vielleicht weiß jemand aus dem Kreis der Leserschaft aus Erzählungen seiner Eltern oder Großeltern, was der Begriff Politiv bedeutet. Wer zur Lösung des Rätsels beitragen kann, wird gebeten, sich mit Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert unter der Rufnummer Tel. (0 97 63) 17 57 in Verbindung zu setzen.