(new) Geheimnisvoll wie der Orient haben sich die Frauen mit ihrem Schleier umhüllt, ihr Gesicht ist in ein Oval aus den Armen eingerahmt, aber noch nicht sichtbar. Typisch arabische Musik setzt ein, nach ein paar Takten löst sich die Spannung, die Ausgangsposition gerät ins Fließen und geht in sinnlich weiche Bewegungen über.
Der Tanz wird ein wenig temperamentvoller, die Hüften kreisen oder schwingen im Rhythmus zur Seite, die Schultern nehmen eine Bewegungsfolge auf, die sich Shimmy nennt. Die nackten Füße suchen zarten Bodenkontakt, ein federleichter, farbintensiver Hauch von Stoff – der wohl nur in unseren Längengraden nach Weichspüler durftet – schmeichelt dem Körper.
Diese schöne Szenerie ist zu erleben in einem Bad Neustädter Tanzraum, in den einige Tücher orientalisches Flair zaubern und die Fantasie vor allem nach Ägypten entführen. Denn dort haben Katja und Maria, die gerne tauchen, auch den orientalischen Bauchtanz kennengelernt. Sie brannten darauf, ihn zu erlernen, und trafen in Bad Neustadt auf Waltraut Ihde. Die beschäftigt sich seit Langem intensiv damit und gibt diese Kunst auch weiter. Aktuell bilden die drei Damen gemeinsam mit Tanja und Ann eine Gruppe, die sich Malakat El'lel nennt. Das bedeutet Königinnen der Wüste. Erst kürzlich hatte sie einen Auftritt im Bildhäuser Hof. Bei diesem Anlass war auch Bahar Günes (Frühlingssonnenstrahl) zu sehen. Diese Tänzerinnen hatten bei der Volkshochschule einen Kurs im orientalischen Bauchtanz belegt.
Waltraut Ihde kam 1979 nach Bad Neustadt und arbeitete hier 20 Jahre als Krankenschwester. Nicht von ungefähr erwähnt sie ihren Beruf, denn auch ihre Mittänzerinnen kommen aus dem sozialen Bereich und haben den Bauchtanz für sich entdeckt, weil sie dabei sich selber etwas Gutes tun können.
In erster Linie sind das eben die weichen, fließenden Bewegungen, mit denen sich viele Verspannungen und Blockaden lösen. Tanja und Ann geraten geradezu ins Schwärmen, wie sehr der Bauchtanz ihrer Wirbelsäule hilft. Hüftkreisen, das kann man auch beim Bügeln machen, ist Tanja über diese Bereicherung ihres Hausfrauen-Alltags begeistert und freut sich, dass die Kinder diese Bewegungen mit großem Spaß nachmachen.
So richtig Feuer gefangen hat Waltraut Ihde, die schon immer gerne tanzte, als 1992 auf dem Sambachs-hof ein Workshop zum orientalischen Bauchtanz angeboten wurde. Die Leidenschaft war entflammt, nun begann die Suche nach Gleichgesinnten, die zunächst bei der Vhs in Mellrichstadt erfolgreich war.
Kunst weitergeben
1996 entdeckte Waltraut Ihde in einer Fachzeitschrift das Angebot, sich in den Tanz der Seele – so versteht sich der orientalische Bauchtanz – zu vertiefen. Zwei Jahre lang erlebte sie einmal im Monat ein Wochenende in Frankfurt und schloss dort ihre Ausbildung zur Lehrerin für orientalischen Tanz ab. Danach begann sie 1998 im Gemeindehaus Mühlbach ihre Kunst weiterzugeben.
Vor allem geht es ihr dabei darum, Weiblichkeit und Sinnlichkeit, die im intellektualisierten Europa häufig auf der Strecke geblieben sind, zu beleben und Bewegungen wiederzuentdecken, die guttun. Ein ganz dickes Ausrufezeichen setzen Waltraut Ihde und ihre Freundinnen hinter die Feststellung, dass Bauchtanz alters- und figurunabhängig ist, das Aussehen überhaupt kein Kriterium darstellt. Und schaut man sich um in der Runde, trifft man auf Damen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren, die von Model-Normen weit entfernt sind. Aber sie alle sind davon überzeugt: Jede Frau kann lernen, ihren Körper so zu lieben, wie er ist.
100 verschiedene Rhythmen
Über das Thema orientalischer Bauchtanz weiß Waltraut Ihde unendlich viel zu erzählen. Beispielsweise, dass es ursprünglich ein Geburtstanz war, mit dem andere Frauen die in ein Sandloch hinein Gebärende unterstützten. Oder dass die freizügige Kleidung nicht unbedingt eine Erfindung des Orients, sondern der westlichen Welt ist. Oder dass es 100 verschiedene Rhythmen gibt und sie die ägyptischen Bauchtanz-Versionen bevorzugt, weil die türkischen nicht so vielseitig sind.
„Bauchtanz, der lässt einen nicht mehr los“, bestätigt Ann, die zwar schon öfter mal Pausen gemacht hat, aber immer wieder zu dieser Leidenschaft zurückgekehrt ist.
In Vorbereitung hat Waltraut Ihde derzeit im Übrigen das Angebot „Orientalischer Tanz für Schwangere“. Das entsprechende Zertifikat dafür hat sie in Freiburg erworben aus der Überzeugung heraus, dass einer schwangeren Frau diese weichen Bewegungen ganz wunderbar guttun.