Immer wieder werden sie geweckt – Erinnerungen an die Kindheitstage. Weihnachten und Advent – wie war das denn vor 50 Jahren? Da gab es sie noch, werden viele Ältere sagen, die echte vorweihnachtliche Freude, das Warten auf das Fest. Heute, so scheint es, ist Weihnachten doch allzu häufig bloß ein Fest des Konsums.
In den 1960er Jahren wurden in der Schule die ersten Vorbereitungen auf die Adventszeit getroffen, wenn im Oktober die Tage kürzer wurden und die Nebelschwaden durch die Straßen zogen. Dann galt es, Laternchen zu basteln und auch eine Ecke des Klassenzimmers besonders zu gestalten. Die letzten Schulaufgaben wurden geschrieben. Denn, so war es nun mal Brauch, in der Adventszeit wurde davon abgesehen. Es sei denn, man hatte den Lehrer so geärgert, dass dieser entschied: Advent fällt in der Schule für eine Woche aus.
Zum ersten Advent gab's nicht nur einen Adventskranz, sondern auch den begehrten Adventskalender. Man ließ am Vorabend das Fenster der Küche einen Spalt offen, damit der Weihnachtsengel hereinfliegen konnte. Am Morgen stand dann ein kleiner Adventskranz mit vier Kerzen auf einem roten Ständer, gekrönt von einem goldenen Stern. Und ebenso ein glitzernder Adventskalender. Oft gab es Tränen, wenn das erste Türchen erst am 6. Dezember geöffnet werden konnte.
In der Schule hatte jeder an seinem Platz einen kleinen, oft selbst gebastelten Kerzenständer und einen Tannenzweig. Eines der großen Schulfenster war mit vielen bunten Motiven geschmückt. Durch das Buntpapier fiel von draußen diffuses Licht in den Raum. Davor stand eine Muttergottesstatue. Der Unterricht begann grundsätzlich mit dem Anzünden der Kerzen, einem Gebet und schließlich einer adventlichen Geschichte. Erst dann löschte man das Kerzenlicht und schaltete die große Beleuchtung ein. Dass die Kinder zuvor in der Rorate, der adventlichen Frühmesse, waren, war selbstverständlich.
Im Dezember begannen auch die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Da wurden zum Beispiel Kerzen aus Bienenwachs oder auch ein Leuchter aus zwei Kleiderbügeln gebastelt. Spannend wurde es immer wieder, wenn die Texte für ein Theaterspiel ausgeteilt und die Rollen verteilt wurden. Dann nämlich hieß es wieder üben, üben und üben. Bis es schließlich am zweiten Weihnachtstag so weit war und sich der Vorhang der Bühne im Königshöfer Turnheim öffnete. Um den Raum heizen zu können, brachte jeder Schüler Holzscheite und in Silberpapier eingewickelte Briketts mit.
Auch zu Hause bereitete man sich auf das Weihnachtsfest vor. Der Heilige Abend war für Kinder von ganz besonders knisternder Spannung – das übrigens dürfte heute auch nicht anders sein. Irgendwann am späten Nachmittag oder frühen Abend schloss sich plötzlich die Wohnzimmertür. Dahinter hörte man geschäftiges Treiben. Draußen wurde es langsam dunkel und endlich – die Zeit war ohne Fernsehen und Computerspiel ja nur schleppend vergangen – öffnete sich die Tür wieder und ein mit flackernden Kerzen leuchtender Weihnachtsbaum stand im Zimmer. Darunter lagen meist nur wenige Geschenke, die erst nach dem gemeinsamen Singen eines Weihnachtslieds und dem Vorlesen der Weihnachtsgeschichte ausgepackt werden durften.
Ein Buch, ein Spieltelefon, ein kleines Auto zum Anschieben. Meist war es das dann auch. Vielleicht aber war damals mehr Weihnachtsfreude zu spüren als heute.