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Bad Neustadt: Wenn das Kinderbett leer bleibt: Sternenkinder in Rhön-Grabfeld

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Wenn das Kinderbett leer bleibt: Sternenkinder in Rhön-Grabfeld

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    Die Trauer um ein Sternenkind, wie Kinder genannt werden, die vor der Geburt sterben, ist nicht weniger tief als um ein Kind, mit dem man mehr Zeit verbringen durfte. Das Kind wird immer Teil der  Familie sein.
    Die Trauer um ein Sternenkind, wie Kinder genannt werden, die vor der Geburt sterben, ist nicht weniger tief als um ein Kind, mit dem man mehr Zeit verbringen durfte. Das Kind wird immer Teil der  Familie sein. Foto: Symbolfoto Sigrid Brunner

    Der Name steht schon fest. Das Kinderzimmer ist eingerichtet. Kleidung, Kinderwagen und Kuscheltiere liegen bereit. Aber all das wird unbenutzt bleiben. Wenn Eltern ihr Kind während der Schwangerschaft oder kurz danach verlieren, bleiben Schmerz und Trauer anstatt Hoffnung auf Liebe und Zukunft. Und häufig damit verbunden die Gedanken, wie es gewesen wäre. "Das ist ein traumatisches Erlebnis. In unserer Gesellschaft werden die Betroffenen meist allein gelassen und nach kurzer Zeit sollen sie wieder funktionieren", sagt dazu Ute Gehweiler, Geburtsvorbereiterin im Eichenhäuschen.

    "Trauer bewusst zu erleben und nicht zu unterdrücken, ist der erste Schritt zur Heilung", ist sie überzeugt. Zusammen mit Alexandra Krug-Schneider bietet sie eine Trauerbegleitung an für Eltern, die ihr Kind früh verloren haben. "Leben und Tod sind mein Thema", erklärt Gehweiler. So nimmt es auch nicht Wunder, dass sie sich im Eichenhäuschen nicht nur um das "neue Leben" kümmert, sondern auch um das Lebensende. Dazu hat die gelernte Krankenschwester, Geburtsvorbereiterin und Yoga-Lehrerin extra eine Fortbildung für sogenannte still geborene Kinder und eine Ausbildung als Trauerbegleiterin absolviert. Im Rahmen der Trauerbegleitung finden Einzelgespräche statt, außerdem trifft sich regelmäßig ein Gesprächskreis.

    Von Verzweiflung bis zu Schuldgefühlen

    In der Mitte des Raumes stehen Kerzen und ein Blumenstrauß, darunter ein weißes und ein schwarzes Tuch, umgeben von bunten Tüchern. Das weiße Tuch symbolisiert das tote Kind, das schwarze die Trauer und die bunten Tücher sollen dafür stehen, dass das Leben weitergeht. Immer zu Beginn eines Treffens des Trauerkreises entzünden die Teilnehmer die Kerzen. Gedanklich bewegen sie sich zwischen sehr viel Schwarz und nur wenig Bunt. Die Gefühlspalette der Betroffenen reiche von Verzweiflung und Traurigkeit bis zu Wut, Schuldgefühlen oder Neid. "Warum ich?", tauche als Frage in den Köpfen auf, so Gehweiler. "In der Situation braucht man jemanden, der einen an die Hand nimmt und sagt: Diese Möglichkeiten gibt es." Informationen seien sehr wichtig. Was man dann schließlich damit mache, sei individuell. 

    Die Farbe Weiß steht für das Kind, Schwarz für die Trauer und Bunt dafür, dass das Leben weitergeht. Wann immer sich der Trauerkreis von Eltern, die ihr Kind früh verloren haben, trifft, befindet sich dieses Arrangement inmitten des Raumes. Ute Gehweiler leitet die Gruppe.
    Die Farbe Weiß steht für das Kind, Schwarz für die Trauer und Bunt dafür, dass das Leben weitergeht. Wann immer sich der Trauerkreis von Eltern, die ihr Kind früh verloren haben, trifft, befindet sich dieses Arrangement inmitten des Raumes. Ute Gehweiler leitet die Gruppe. Foto: Sigrid Brunner

    Die Gesprächskreise haben einen festen Ablauf. Beim ersten Treffen beschriften die Teilnehmer einen Papierstern. Meistens wird der Name des Kindes oder das Sterbedatum notiert. Manchmal ist auch "Pünktchen" auf den Zetteln zu lesen, wenn der Name noch nicht vorhanden ist, aber schon der Punkt auf der Ultraschall-Aufnahme. Jede folgende Zusammenkunft beginnt mit einer Anfangsrunde: Wie geht es? Was will man erzählen? Gesprochen wird auch über das Thema "Trauer in unserer Gesellschaft". Dazu gehört die Frage, wie in der Familie Trauerfälle bewältigt werden. Unter anderem wird ein Erste-Hilfe-Plan erarbeitet. Was mache ich, wenn ich in ein emotionales Loch falle? Auf den Notfall-Zetteln sind Vorhaben wie Spazierengehen, Musikhören oder den Vögeln lauschen zu finden. Jedes Treffen endet mit einem Schlaflied für das still geborene Kind. 

    Zumeist sind es Frauen, die Hilfe im Eichenhäuschen suchen. Ute Gehweiler hält es jedoch für sehr wichtig, dass auch Männer an den Gesprächen teilnehmen. "Trauer macht sehr viel mit einer Paarbeziehung." Gerade solche Schwellensituationen würden nicht selten eine Partnerschaft auf die Probe stellen. "Zwischen dem Paar kann Sprachlosigkeit entstehen und im Gesprächskreis wächst das Verständnis füreinander." Man könne Dinge sagen, die man sonst nicht so aussprechen würde und man höre etwas, worauf man allein nicht gekommen wäre. "Es hilft sehr, wenn man reden und sich austauschen kann." 

    Auch die Geschwister mit einbeziehen

    Wichtig sei es, auch die Geschwister miteinzubeziehen, unabhängig davon, wie alt diese sind, betont Ute Gehweiler. "Auch ein zweijähriges Kind merkt, wenn Mama und Papa traurig sind." Es müsse wissen, dass sie es nicht seinetwegen sind. "Das Kind in meinem Bauch ist gestorben. Deshalb muss ich oft weinen", seien mögliche Erklärungsworte. 

    Was ist anders an der Trauer um ein still geborenes Kind? "Es bleibt einem so wenig an Erinnerungen", meint Ute Gehweiler. Man habe keine Zeit mit dem Kind, das immer zur Familie gehören wird, verbringen können. "Und wenn es nur ein paar Jahre gewesen wären, aber die hätte ich gehabt", sei ein Gedanke Betroffener, den man auf den ersten Blick schwer nachvollziehen, bei näherem Nachdenken aber verstehen kann. "Es ist nicht leichter, wenn das Kind vor der Geburt stirbt", sagt Gehweiler. Sie und Alexandra Krug-Schneider informieren Eltern auch darüber, dass es die Möglichkeit gibt, das totgeborene Baby fotografieren zu lassen. Spezialisierte Fotografen würden sehr einfühlsam das Kind für die Erinnerung festhalten. "Es sieht so aus, als würde es nur schlafen." Sehr viele Eltern nehmen das Angebot an und empfinden es als tröstlich. "Es ist das Einzige, was sie von ihrem Kind haben." 

    "Der Trauerweg muss gegangen werden"

    Still geborene Kinder sind immer noch ein Tabu-Thema. Im Umgang mit Betroffenen sei es wichtig zu bedenken, dass das Baby kein "Es" war, sondern zumeist schon einen Namen hatte. Immer wieder bekämen Eltern den oft aus Unsicherheit heraus geäußerten Satz zu hören, dass sie bestimmt wieder ein Kind bekommen würden. "Aber es wird nicht dieses Kind sein", so Gehweiler. 

    Trauerarbeit bedeute, einen Weg zu beschreiten, um wieder heil zu werden - wenn auch mit Narben, erläutert Ute Gehweiler. "Die Trauer muss in den Lebensfluss integriert werden. Man muss sie anerkennen, sein Los annehmen und das würdigen, was war." Zum Beispiel die schöne Zeit der Schwangerschaft. "Nicht in den negativen Gefühlen stecken bleiben, sondern sie umwandeln, ist das Ziel. Aber das ist harte Arbeit." Der Trauerweg sei sehr individuell, aber so ihre Überzeugung: "Er muss gegangen werden."

    Trauerbegleitung im EichenhäuschenDas Eichenhäuschen ist ein Zusammenschluss von selbstständigen Hebammen bzw. Geburtsvorbereiterinnen. Über 1000 Kinder erblickten bereits mithilfe des Teams das Licht der Welt. Die Einrichtung, die in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum begeht, widmet sich der Geburtsvor- und -nachbereitung. Bereits in den ersten Jahren des Bestehens wurde die Idee in die Tat umgesetzt, sich auch um Eltern zu kümmern, die während der Schwangerschaft (unabhängig vom Stadium dieser) oder bei bzw. kurz nach der Geburt ihr Kind verloren haben. Das geschieht in Form von Einzelgesprächen und Gesprächskreisen. Der Trauerkreis trifft sich als feste Gruppe einmal im Monat an insgesamt acht Abenden und umfasst etwa sechs bis sieben Personen. Es wird lediglich ein Unkostenbeitrag erhoben. Ute Gehweiler und Alexandra Krug-Schneider bieten die Trauerbegleitung ehrenamtlich an.Weitere Informationen gibt es bei Ute Gehweiler und Alexandra Krug-Schneider, Eichenhäuschen, Ortsstraße 20 in Eichenhausen, Telefon (09762) 930 777, E-Mail: ute-gehweiler@posteo.de, www.das-eichenhaeuschen.de.Quelle: Eichenhäuschen/sbr

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