Karfreitag, Mittagszeit im 1500-Seelendorf. Die Turmuhr schlägt. Wegen der Ausgangsbeschränkung in diesen Corona-Krisenzeiten gibt es keinen Verkehr. Auch Fußgänger sind zu sehen. Mitten im Dorf auf der Kreuzung Mellrichstädter Straße und Bogenstraße betreten die 80-jährige Helga Albert, der 63-jährige Paul Pfitzmaier und die 53-jährige Hiltrud Hampl die Szenerie. Alle drei haben eine Klapperkiste um den Hals und stellen sich auf ihre vereinbarten Positionen in gebührendem Abstand zueinander auf.
Nach dem 12. Schlag aus dem Glockenturm von Sankt Andreas, der naheliegenden Kirche, geht es los. Die Karfreitagsklappern ertönen im ganz speziellen Rhythmus, den die drei Protagonisten hörbar schon gut verinnerlicht haben. Dann singt das Klappertrio lautstark: „Das ist der Engelsgruß, den jeder Christ nun beten muss“. Wieder ertönen die Klappern und ermahnen die Christen zum Gebet.
Idee kam von der Dorf-Wirtin
Die Idee zu diesem außergewöhnlichen „Nachbarschaftstreffen“ hatte Helga Albert, die Wirtin aus der „Rasemus-Dorfwirtschaft“, die in normalen Zeiten nur noch zweimal in der Woche geöffnet hat. In Oberstreu ist sie auch als „Spar-Helga“ bekannt, weil sie in früheren Zeiten ein gleichnamiges Lebensmittel-Geschäft geführt hat. Über das Telefon hat sie ihre Nachbarn zu dieser Aktion ermuntert. „Die Ministrante dürfe net klapper, dann müsse mir des übernemm!“ so das Argument der rührigen 80-Jährigen.
Dabei achten die drei Aktivisten auf den sicheren Abstand zueinander. Aus dem Fenster heraus wird das Trio von Roland Albert, dem Ehemann von Helga gesanglich unterstützt. Sie stehen so, dass ihr Klapper-Takt in vier Straßenzüge hineintönen kann. Bis weit hinein in die Schenkengasse und in die Straße Am Fürstenbrunnen sind sie ganz sicher zu hören. „Mir decke mit unnerm Klappern vier Straßezüch ab“, kommentiert Helga Albert ihr Tun.
Früher war Klappern nur Bubensache
In ihrer Kindheit und Jugend, so erzählen die beiden Frauen – natürlich aus sicherem Abstand - durften sie nicht dabei sein, wenn in der Karwoche die Klapperbuben durch das Dorf zogen, weil Klappern eben „Bubensache“ war. So erfahren sie mit ihrer Aktion eine späte Genugtuung für entgangene Freuden aus der Kinderzeit. Paul Pfitzmaier erläutert, dass er nun in der Karwoche auch mit seiner Trompete die Nachbarschaft für die ausgefallenen Gottesdienste und den Umzug am Palmsonntag ein wenig erfreut. Am Abend lässt er seine Trompete in die Straßen hinein erklingen.
Geklappert wurde dreimal am Tag: Am frühen Morgen um 6 Uhr ließen sie das Lied von der „Reinsten Jugfrau“ ertönen, Hiltrud Hampel hatte sich den Text auf die Klapperkiste geklebt. Zu Mittag und am Abend war es der „Engelsgruß“. So hatte das Klapper-Trio für ein wenig Freude und Abwechslung in diesen schweren Zeiten gesorgt. Nach fünf Minuten und einem gegenseitigen Zunicken waren die drei Nachbarn wieder in ihren Häusern verschwunden. Und Stille kehrte zurück nach Oberstreu.