Es hätte auch bei noch schlechterem Wetter – der große Regen kam erst nach der Zugabe – eine gute Besucherresonanz gegeben, waren doch bis auf wenige so ziemlich alle Plätze schon im Vorverkauf über die Bühne gegangen. Das Publikum war in der weitaus überwiegenden Anzahl dem Lebensalter der Popmusiker angeglichen, also etwa zu Beginn des frühen Seniorenalters.
Gründungsmitglied und Bandleader Ian Anderson, der als unverkennbares Markenzeichen der Gruppe Jethro Tull auch nach 40 Jahren wild gestikulierend mit Querflöte und Gesang immer noch das musikalische Treiben auf der Bühne dominiert, galt vielen begeisterten Zuschauern als Beweis, dass man auch mit über 60 Jahren noch nicht zum alten Eisen gehört.
Die nach einem englischen Landwirt und Erfinder von Sä- und Pflugmaschinen aus dem 18. Jahrhundert benannte Band tourt heuer im 40. Jahr durch Deutschland. Bad Brückenau war das 14. von 16 Konzerten. Die nächsten gibt es in Hanau und Bonn. Bedauert hatten einige Zuhörer jedoch, dass auch nach vier Jahrzehnten der Jethro-Tull-Ikone Anderson kaum ein deutsches Wort über die Lippen kam.
Was den Kontakt mit der deutschen Sprache anbelangt, konnten die Zuhörer schon eher mit der Sängerin und Pianistin Saori Jo zufrieden sein, die als Vorgruppenkünstlerin der Stilrichtung Chanson-Rock eine halbe Stunde vor der Band Jethro Tull zusammen mit dem Gitarristen Franck Schmidt auftrat. Gegen Ende ihres Auftritts ließ sich Anderson neben ihr blicken und begleitete die höchst emotionale französische Sängerin auf seiner Querflöte.
So verschieden wie die Ansichten der Musikkritiker sind, ob die Band Jethro Tull, die sogar thematische Anleihen beim Barockkomponisten Johann Sebastian Bach nimmt, dem Classic Rock oder dem Progressive Rock zuzuordnen sei, so gingen auch die Meinungen der Zuhörer auseinander. Einig war man sich im Publikum an der frischen, nach etwa einer Stunde von leichtem Regen erfüllten Luft jedoch darin, dass diese Band trotz der 40 Bühnenjahre noch immer höchst lebendige Musik macht.