Buchstaben zusammenfügen, Worte erkennen, vorlesen und schreiben. Für die meisten Menschen selbstverständlich, für Kinder und Jugendliche mit einer Lese- Rechtschreibschwäche oft ein alltäglicher Kampf. Üben mit den Eltern, fleißiges Lernen, Nachhilfe - all das hilft den Betroffenen nicht - man geht von 10 bis 30 Prozent der Schüler aus - und führt nur zu einem: Frustration.
Was es braucht, um wieder Spaß am Lesen und Schreiben zu erlangen und die schulischen Leistungen dauerhaft zu verbessern? Eine genaue Diagnostik und eine gezielte Förderung, der sich neben den Schulen auch verschiedene Institutionen in Schweinfurt mit unterschiedlichen Ansätzen, widmen.
Defizite feststellen
Die Lese-Rechtschreib-Schule (LRS) im Studienkreis Schweinfurt stellt eine reine Rechtschreibdiagnose, bei der sie die grundlegenden Defizite feststellt und an diesen dann mit den Zweit- bis Siebtklässlern arbeitet. Die Nachhilfelehrer vermitteln den Schülern das Regelwerk und üben mit ihnen einzeln oder in einer bis zu vierköpfigen Gruppe. „Spielerisches Lernen geht in der Gruppe viel besser“, sagt Leiterin Gisela Fehrmann. Aber wenn sich Kinder in der Gruppe nicht trauen, gibt es auch Einzelunterricht. „Enorme Forschritte“ machen die Kinder, sagt Fehrmann, aber das sei manchmal dennoch nicht genug. Ein Junge, erzählt sie, hatte beim Diktat mit 80 Wörtern einst nur fünf richtig geschrieben und sich nun auf 18 Fehler verbessert. Immer noch Note 6. Da ist die Frustration natürlich groß.
Ein Grund dafür, dass viele Kinder, die zur LRS kommen, gleichzeitig auch in psychiatrischer Behandlung sind, um den Ursachen der Lese- und Schreibschwäche auf den Grund zu gehen. Diese sind ebenso wie die Ausprägung der Schwäche von leicht bis hin zur Legasthenie, sehr unterschiedlich und oft schwer festzustellen. Visuelle oder auditive Problem können genauso wie eine genetische Disposition oder Konzentrationsstörungen zur Lese- Rechtschreibschwäche führen.
Keine Therapeuten
„Wir sind keine Therapeuten“, sagt Cornelia Schorr-Schütz, Institutsleiterin von LOS (Lerninstitut für Ortographie und Schreibtechnik) Schweinfurt. Genau wie die LRS geht sie mit Regel- und Anwendungstraining gegen die Leistungsstörung der Kinder vor. Auch hier wird nicht - wie bei reiner Nachhilfe - am aktuellen Unterrichtsstoff, sondern an grundlegenden Regeln geübt. „Viele Worte haben die Kinder falsch abgespeichert“, sagt Schorr-Schütz. Zwischen vier und acht Kindern üben gemeinsam in einer Gruppe. „Lernen passiert schneller in der Gruppe, gerade im Kindesalter“, so die Institutsleiterin. Aber auch wenn sie der Einschätzung ist, dass die meisten Störungen zu beheben sind, ist auch sie der Ansicht, dass „aus der Sechs wahrscheinlich niemals eine Zwei wird“. Dennoch: Die Lerntherapie zeigt Erfolge. Kinder, die früher keinen zusammenhängenden Satz schreiben konnten, könnten später ganze Aufsätze verfassen. Insgesamt 60 Kinder aller Altersklassen und Schularten besuchen LOS zweimal in der Woche zum Computer- und Hefttraining. „Je eher desto besser“, sagt Schorr-Schütz. In späteren Schulklassen seien schließlich die Fehler schon eingebrannt und gingen weit über leichte Probleme heraus, die man gleich zu Beginn „leicht und spielerisch“ ausmerzen könne.
Individuelles Training
Um ein besonders individuelles Training zu ermöglichen, bietet Ursula Güldner, Inhaberin des PTE (Pädagogisch Therapeutische Einrichtung) Schweinfurt, für die Diagnose auch einen Begabungstest, zusätzlich zum Lese-Rechtschreibtest an. So könnten zum Beispiel, wo benötigt, Konzentrationsübungen eingebaut werden. Im Gegensatz zu den anderen Einrichtungen setzt Güldner auf Einzelunterricht. Ihrer Meinung nach sind die Probleme der Kinder so individuell, dass Gruppentherapien da gar nichts bringen könnten. Sie will wieder Lust am Lesen und Lernen vermitteln und den Kindern die Frustration nehmen („Ich arbeite viel mit Lob“). Neben der Lese-Rechtschreibschwäche ist das PTE auch Anlaufstelle für ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und RS (Rechenschwäche).
Mindestens jeder zehnte Schüler ist von der Lese-Schreibschwäche betroffen, wenn auch nicht von eindeutiger Legasthenie. Dennoch: Wer Probleme beim Lesen und Schreiben hat, ist grundsätzlich schlechter, als er ohne dieses Defizit wäre.
Wer hat Anspruch auf Hilfe?
Laut Paragraph 35a des achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) ist eine Förderung durch das Jugendamt dann möglich, wenn eine seelische Behinderung durch die Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten oder bereits eingetreten ist, also nur in den härtesten Fällen. „Bis jetzt mussten wir niemanden abweisen“, sagt Anna Masala, die in der Erziehungsberatungsstelle Schweinfurt für die Therapie bei Teilleistungsstörungen zuständig ist und meint damit diejenigen, die nach der Untersuchung beim Psychiater unter die „Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche“ fallen. Was aber können diejenigen tun, deren Kinder von der Lese- und Rechtschreibschwäche betroffen sind, aber nicht unter dieses Gesetz fallen, wenn die für manche Familien zu teure Lerntherapie in den vorgestellten Institutionen zu teuer ist? „Jeder kann sich an die Erziehungsberatungsstelle wenden“, so Masala. Diagnostik und Beratung stünde allen Eltern und ihren Kindern offen. Es ist auch möglich Testungen durchzuführen, die Stärken und Schwächen des Kindes aufzeigen. Die Eltern werden beraten, wie sie mit ihren Kindern und deren Schwäche umgehen können und in die Förderung ihrer Kinder miteinbezogen. Teilweise wird auch Fördermaterial bereitgestellt. Auch Masala ermutigt, lieber früher als später etwas gegen die Teilleistungsstörung zu unternehmen, auch wenn anfangs vielleicht noch eine Hemmschwelle da sei. Denn meist seien Hinweise auf Teilleistungsstörungen schulischer Fertigkeiten bereits im 1. Schuljahr zu erkennen.