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MEININGEN: Wie ein Flügel nach Meiningen kam

MEININGEN

Wie ein Flügel nach Meiningen kam

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    Die Grande Dame der Pianistinnen der Gegenwart, die gebürtige Georgierin Elisabeth Leonskaja, setzt sich, schwarz gekleidet, unter dem Beifall des Publikums an den Flügel und eröffnet mit Brahms‘ zweitem Klavierkonzert in B-Dur ein neues Kapitel in der Musikgeschichte des Hauses. Das Theater in einer kleinen Stadt hat wieder einen Konzertflügel – dazu noch einen, den die Leonskaja, zusammen mit Generalmusikdirektor (GMD) Hans Urbanek, ganz persönlich aus zwölf Instrumenten ausgewählt hat. 180 000 Euro teuer.

    Irgendwie scheint das alles noch ziemlich unwirklich, was den Meiningern da widerfuhr. Der Konzertflügel wurde von einem Mäzen – ein international agierendes Unternehmen – gespendet, das ungenannt zu bleiben wünscht. Im Grunde hatte der GMD dort doch nur halbernst nachgefragt, ob man vielleicht Flügel verleihe für eine Hofkapelle, die keinen eigenen Konzertflügel habe, obwohl einst Brahms und Bülow und Reger im Hause zugange waren.

    Binnen kurzem bekam Hans Urbanek die Antwort. Man verleihe nicht – man schenke. Das einzige, was auf den edlen Spender hinweisen könnte, sind kleine silberne Blechdosen. Die Objekte stehen bei der kleinen Feier nach dem Konzert in Reih und Glied mit Gläsern voller Thüringer Apfelsaft, Wasser, Wein und Bier, in unmittelbarer Nachbarschaft der warmen Laugenbrezeln. Einmal werden sie – die Dosen – mit dem GMD und dem Intendanten abgelichtet. Dann kehrt wieder Ruhe ein. An eine solch dezente Art des Sponsorings würde man sich gerne gewöhnen. Die Kulturkassenwarte würden aufatmen und aus den Theatern würden trotzdem keine Allianzarenen.

    Eigentlich aber schwirren die Gedanken noch um die Gefühle, die sich während Brahms und Leonskaja in den Köpfen der Zuhörer einnisten konnten – vom ersten pastoralen Dialog des Klaviers mit dem Horn bis zur leidenschaftlichen Konversation mit dem Orchester. Auch wenn Brahms das Konzert nicht in Meiningen komponiert hat, wiegen uns die musikalische Erzählerin Leonskaja und das Orchester in der Illusion, wir würden den Meister bei seinen morgendlichen Wanderungen bergauf bergab durch Wälder und Auen an der Werra begleiten.

    Spätestens beim neckischen Rede- und Antwortspiel des Allegretto grazioso im vierten Satz steht die Illusion auf sicherem Boden: Dieser Flügel hatte keine Wahl. Er musste im Meininger Theater landen. Nicht, weil ihm andernorts die Puste ausgegangen wäre. Nein, weil er sich hier zuhause fühlen kann, im Theater hinter den sieben Bergen, um das man eine kleine Stadt gebaut hat.

    Wer das noch nicht bei Brahms begriffen hat, der empfindet es bei der fast kindlich unschuldigen Mozart-Sonate, die die Leonskaja als Zugabe spielt. Interpretieren wir die Botschaft einfach ganz forsch als Wunsch, die Seriosität des in Ehren ergrauten Konzertpublikums möge sich mehr als bisher mit dem Staunen und der Neugierde ganz junger Zuhörer vereinen.

    Ein wohltemperiertes Nest mit Kuscheldecke hat man dem Konzertflügel schon eingerichtet, in einem Nebenraum des Orchestergrabens, mit einer eigenen Rampe. Hoffen wir also, dass er nicht nur mit weißen Handschuhen berührt wird, sondern ihn viele begabte Künstler, junge und alte, immer wieder zu neuem Leben erwecken. Zu unser aller Freude und Erhebung – selbst, wenn er ganz ungewöhnliche Töne von sich geben sollte.

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