Zu DDR-Zeiten sagte man den Bewohnern von Dresden nach, sie würden im Tal der Ahnungslosen leben, weil dort kein Westfernsehen empfangen werden konnte. Nicht viel besser fühlen sich manche Einwohner von Waltershausen, wenn es um den Handyempfang geht.
Gerfried Remmers etwa hat solche Probleme vor seinem Zuzug in das Tal der Milz vor gut zwei Jahren nicht gekannt. Um mobil telefonieren zu können, müsse er nun schon seine Wanderschuhe anziehen, um einen der nächsten Hügel zu erklimmen, sagt der Ex-Düsseldorfer mit rheinischem Humor.
Womit das Problem schon benannt ist. Es ist die topografische Lage, die die Milzgrundgemeinden wie Waltershausen, Höchheim oder Irmelshausen von der mobilen Telekommunikation abschneidet. Zudem sind die Dörfer so klein, dass für Anbieter ein eigener Sendemast wirtschaftlich unrentabel erscheint.
Diese Auskunft jedenfalls erteilt Saals Bürgermeister Norbert Bauer auf Nachfrage der Main-Post. Eigentlich werde die Telekom erst ab 1000 Einwohner aktiv. Eine Ansiedlung finanziell zu unterstützen sei der Gemeinde nicht erlaubt. Trotzdem bemühe er sich weiterhin um eine Lösung, an deren Ende das Funkloch geschlossen ist. Den Bürgern Hoffnung machen, dass dies in absehbarere Zeit geschieht, will er aber nicht.
Telekom-Pressesprecher Markus Jodl widerspricht der Aussage von der 1000-Einwohner-Marke. Erst kürzlich sei in Baden-Württemberg ein Dorf mit 50 Haushalten mit Mobilfunk versorgt worden. Es müssten allerdings eine Reihe von anderen Fragen geklärt werden, wie etwa Anbindung, Topografie oder Kosten. Jodl versprach aber, sich um die Sache zu kümmern. Ideen für Sendemast-Standorte hat Bauer auf alle Fälle schon. Er könnte sich eine Montage auf einem der Windräder vorstellen, die in Wülfershausen geplant und genehmigt sind. Ob diese Anlagen allerdings tatsächlich gebaut werden, steht noch in den Sternen. Gerfried Remmers hält Bauers Idee aus topografischen Gründen für wenig praktikabel. Er plädiert stattdessen dafür, zum Beispiel drei Richtantennen an den Wasser-Hochbehälter in Waltershausen zu montieren. Raum und Strom sei jedenfalls vorhanden. Dann müsste nur noch die Telekom als Betreiber verpflichtet werden.
Indes scheinen viele in Waltershausen schon resigniert zu haben. „Es gibt eben keine Möglichkeit auf Besserung“, sagt Werner Lang von der gleichnamigen Brauerei. Andererseits kann er sich aber auch vorstellen, dass ein nachhaltiges Engagement im Dorf für eine Versorgung schon etwas bringen könnte.
Gäste seines Bräustübles seien fassungslos, wenn sie mit dem Handy telefonieren wollen und feststellen, dass sie keinen Empfang haben. „Ich helf' dann mit dem Festnetztelefon aus“, sagt Lang, der sich schon ein wenig vorkommt wie ein Bewohner im Tal der Ahnungslosen. Wir haben zwar Glasfaserkabel fürs Internet, aber wenn wir telefonieren wollen, müssen wir trommeln“, sagt er mit leichtem Schmunzeln.
Auch Geschäftskunden würden den Kopf schütteln und fragen: „Wo leben Sie denn?“. Um Mitteilungen zu erhalten, die aufs Handy eingehen, muss Lang raus aus dem Dorf in höher gelegenen Regionen fahren. „Dann ploppen sie nacheinander rein.“
Autohändler Helmut Hey gehört mit seinen 65 Jahren nicht mehr der Generation an, die glaubt, ohne Handy nicht existieren zu können. Er kann dem Funkloch gar etwas Gutes abgewinnen: „So werde ich wenigstens nicht ständig gestört!“ Dann wird er aber doch ernster. Sein großes Manko: Auch der Unfall-Notdienst seiner Firma ist stark eingeschränkt, weil Kunden den diensthabenden Mechaniker am Feierabend oft nicht erreichen könnten.