Dass ein 87-jähriger Altenheimbewohner noch am Leben ist, ist wohl reinem Zufall zu verdanken – und ganz sicher dem schnellen, furchtlosen Eingreifen einer Pflegehelferin. Sie war dabei selbst in Gefahr, durch Messerstiche verletzt zu werden.
Die Pflegehelferin hört eine Stimme im Zimmer
Wie berichtet, hat am 28. Januar dieses Jahres gegen 5.30 Uhr ein 93-jähriger Mann versucht, mit einem Messer auf seinen tief und fest schlafenden Bettnachbarn einzustechen. Eine Pflegehelferin, die in dem Heim nahe Schweinfurt ausschließlich Nachtdienste leistet, kam just in diesem Moment auf dem Weg zu einer anderen Bewohnerin an dem Zweierzimmer vorbei, als sie eine Stimme hörte und bemerkte, dass drinnen Licht brannte.
Er wollte gerade auf den schlafenden Bettnachbarn einstechen
Sie öffnete die Tür und sah, dass der 93-Jährige den rechten Arm erhoben hatte, um mit einem spitzen Messer in der Hand von oben auf den schlafenden, dementen Zimmergenossen einzustechen. Das sagte die Frau am Freitag als Zeugin in dem Sicherungsverfahren aus, in dem es um die Unterbringung des 93-Jährigen geht. Rechtlich handelt es sich bei dieser Tat laut Anklage um versuchten Mord. Der Mann soll zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sein.
Schließlich konnte sie ihm das Messer entwenden
Die Pflegehelferin schildert teils unter Schluchzen, wie sie dem Mann zunächst die Hand nach oben wegschlug und ihn dann vom Bett des Schlafenden wegzudrücken versuchte. Der 93-Jährige habe vor ihrem Körper mit dem Messer hantiert und versucht, weiter um sie herum in Richtung seines ungeliebten Zimmergenossen zu stechen – mindestens fünfmal noch. Schließlich habe sie seine rechte Hand fassen können, ihm das Messer entwunden und weggeworfen. Sie habe dabei laut gerufen, eine Kollegin sei gekommen, die Polizei und Rettungsdienst verständigt habe. Der Schlafende habe eine blutende Wunde am Auge davon getragen. Als der demente Mann dann aufwachte, habe er sie, die „Schwester“, auch noch gefragt, warum sie ihn geschlagen habe.
Die Retterin des 87-Jährigen ist bis heute krankgeschrieben
Die Pflegehelferin ist noch heute sichtlich geschockt von dem Erlebten. Sie sei nach wie vor krankgeschrieben und in psychotherapeutischer Behandlung, sagt sie. Jede Nacht durchleide sie die traumarische, für sie hochgefährliche Situation von neuem. „Man glaubt nicht, welche Kräfte alte Menschen entwickeln können“, sagt sie: „Ihm war wohl egal, ob er mich verletzt. Ich dachte dabei, früher oder später erwischt er mich.“ Es kam nicht dazu, sie hatte wohl einfach nur Glück.
„Altersdement ist der Täter keineswegs“
Altersdement sei der 93-jährige Täter keineswegs, sagt die 38-jährige Pflegehelferin, er sei bei klarem Verstand. Dement sei sein Zimmergenosse, auf den er mit dem Messer losging. Als die Pflegehelferin ihren Kampf gegen den bewaffneten Beschuldigten vorträgt, wird dieser plötzlich, einmal nur, laut: „Jetzt hört's aber auf, das ist ja Wahnsinn.“ Er selbst schilderte die Tat ganz anders: Er habe seinen Zimmergenossen nicht töten, sondern ihm nur „einen Ritzer an der Backe“ zufügen wollen – um in ein Einzelzimmer verlegt zu werden. Das Sicherungsverfahren wird fortgesetzt.