Massiven Widerspruch aus dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld (KKG) ernten das Schweinfurter Landratsamt und der Kreistag. Letzterer hatte am Donnerstag einstimmig eine Stellungnahme zu den Rückbauplänen des AKW verabschiedet und sie als nicht genehmigungsfähig eingestuft. KKG-Leiter Reinhold Scheuring spricht von inhaltlichen Fehlern: Es gebe „Annahmen und Schlussfolgerungen, die grottenfalsch“ seien.
Den Beschluss hatte das Gremium auf ein Papier gestützt, das die Kreisverwaltung entworfen und darin 15 „Problemfelder“ definiert hatte, die man ablehne oder bei denen man Nachbesserungsbedarf sehe.
Ablehnung in zwei Kernfragen
Im Kern ging es um den geplanten Bau der Bereitstellungshalle (Beha) für schwach- und mittelradioaktive Stoffe sowie einen Zusammenhang zwischen dem bestehenden Zwischenlager für hochradioaktiven Müll (Bella) und dem Reaktorgebäude. Dadurch sind neue Fragen aufgeworfen worden.
Einer der Streitpunkte in der öffentlichen Diskussion ist die Frage, wie defekte Castoren aus „Bella“ repariert werden können. Thomas Benz (Landratsamt), der für die Stellungnahme viel Lob der Fraktionen erhalten hat, hatte am Donnerstag ausgeführt, dass in der „Bella“-Betriebsgenehmigung auf das Vorhandensein des Reaktorgebäudes Bezug genommen werde, um dort im Notfall den „Austausch der Primärdeckeldichtung“ vorzunehmen. Das heißt laut Landratsamt: Fehlt das Gebäude, erlischt die Genehmigung für „Bella“.
Verweis auf Reparaturkonzept
Genau das ist laut Werksleiter Scheuring nicht der Fall. Das Rückbauszenario sei bereits bei der Genehmigung 2003 berücksichtigt worden; damals habe eine Restlaufzeitbegrenzung für das KKG bis 2014 bestanden. In den Unterlagen, die beim Bundesamt für Strahlenschutzöffentlich einsehbar sind, heißt es, dass „auch bei einer früheren Einstellung des Betriebs des KKG“ unter anderem ein neues Reparaturkonzept vorgelegt werden müsse.
Dies sei passiert, so Scheuring, denn es gebe im Zwischenlager einen Reparaturstand für Castoren, die zwei Deckel haben. Allerdings geht die Betriebsgenehmigung nicht vom Tausch der Dichtung des Primärdeckels im Lager aus, sondern nur des Sekundärdeckels. Ist der Primärdeckel undicht, wird ein zusätzlicher „Fügedeckel“ aufgebracht.
Rückbau wäre sonst unmöglich
Scheurings Argumentation: Wäre ein Zwischenlager tatsächlich vom Bestand des Reaktorgebäudes abhängig, könnte „in Deutschland kein einziges Kernkraftwerk sofort abgebaut“ werden, weil die Zwischenlager deutlich länger betrieben werden müssten als die Atommeiler selbst.
„Gesetz ganz lesen“
Scharfe Kritik gibt es von Werksleiter Scheuring, der der zusammen mit einem Assistenten, einer Juristin und dem Verantwortlichen für „Bella“ zu einem Pressegespräch eingeladen hatte, auch an der Äußerungen zum geplanten Bau des „Beha“ für schwach- und mittelradioaktiven Abfall, der beim Rückbau anfallen wird. Im Kreistagsbeschluss wird Paragraf 9a des Atomgesetzes zitiert, der vorsieht, dass diese Stoffe in eine zentralen Sammelstelle – in Bayern in Mitterteich – transportiert werden müssen.
Deswegen hält das Landratsamt den „Beha“-Bau für nicht genehmigungsfähig.
„Man muss das Gesetz ganz lesen“, heißt es im KKG. Denn es lasse Ausnahmen zu, die in Paragraf 12 geregelt seien, wonach „unter bestimmten Voraussetzungen eine anderweitige Zwischenlagerung“ für das strahlende Rückbaumaterial erlaubt werde. Darauf stütze sich der „Beha“-Bauantrag.
„Wir haben keine andere Chance als Beha zu bauen. Wir würden uns den zweistelligen Millionenbetrag liebend gerne sparen“, sagt Scheuring. Das Landratsamt hatte argumentiert, dass in Mitterteich 28 000 Behälterplätze freistünden und das KKG nur 1217 benötige.
„Keine Kapazität in Mitterteich“
Das KKG-Quartett wundert sich über die Zahlen und geht von anderen Werten aus, auch wenn es sie nicht öffentlich macht. Eigene Berechnungen hätten ergeben, dass die Kapazität in Mitterteich bei weitem nicht ausreiche.
Zu weiteren Punkten der ablehnenden Kreistags-Stellungnahme äußerte sich Scheuring nicht: Ihm lag sie am Montag nicht im Wortlaut vor. Er wiederholte das Angebot, den Kreistag und Landrat Florian Töpper persönlich über das Thema zu informieren. Bislang sei es nur vereinzelt von Gemeinderäten wahrgenommen worden.