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UNTERSTEINBACH: Aus der Ukraine in den Steigerwald geflüchtet

UNTERSTEINBACH

Aus der Ukraine in den Steigerwald geflüchtet

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    Albina, Lena, Ella und Sergej Nykonchuk (von links) fühlen sich mehr denn je in Untersteinbach wohl, ein Bleiberecht wird ihnen aber weiterhin trotz Aufenthaltsgestattung und aktueller Arbeitserlaubnis in Deutschland – wie anderen Ukrainern auch – verwehrt. Die Familie war im Sommer 2015 aus der Ukraine geflüchtet.
    Albina, Lena, Ella und Sergej Nykonchuk (von links) fühlen sich mehr denn je in Untersteinbach wohl, ein Bleiberecht wird ihnen aber weiterhin trotz Aufenthaltsgestattung und aktueller Arbeitserlaubnis in Deutschland – wie anderen Ukrainern auch – verwehrt. Die Familie war im Sommer 2015 aus der Ukraine geflüchtet. Foto: Foto: Lena Schuster

    Seit drei Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Frieden ist nicht in Sicht. Wie so viele Menschen hat die Familie Nykonchuk aus dem umkämpften Donezk ihre Heimat verlassen und in Untersteinbach eine neue Heimat, aber noch keine Ruhe gefunden.

    Derweil kann Lena Schuster, die sich intensiv um das Ehepaar und ihre zwei Kinder kümmert, nur Positives von ihrer Patenfamilie berichten. Die seit Sommer 2015 im Steigerwald lebende Familie war, wie berichtet, massiv von der Abschiebung bedroht und zeitweise ins Kirchenasyl geflohen.

    Derzeit genießen Sergej (42), Lena (37), Albina (18) und Ella (16) Nykonchuk eine Aufenthaltsgestattung. Dies entspricht der aktuellen Praxis in Deutschland: Ukrainische Asylbewerber werden derzeit zwar nicht abgeschoben, aber auch nicht als verfolgt oder gefährdet anerkannt. So haben auch die Nykonchuks keine Anerkennung als Flüchtlinge bekommen. Da die Familie jedoch arbeitet, verfügt sie immerhin in Verbindung mit der Aufenthaltsgestattung über die Arbeitserlaubnis.

    Egal, wie viel die Familie arbeite, wie gut sie integriert sei und wie gut sie die deutsche Sprache beherrsche, es bestünde immer die große Gefahr der Abschiebung, wo dann alle über einen Kamm geschert werden, so Lena Schuster.

    Mitten in der Ausbildung

    Da sich zwei der Familienmitglieder mitten in der Ausbildung befinden, besteht in diesem Fall allerdings die Möglichkeit auf eine Duldung. In Bayern sei in diesem Zusammenhang die 3+2-Regelung eingeführt worden. Sie erlaubt es, die dreijährige Ausbildung abzuschließen und danach noch zwei Jahre im Betrieb zu arbeiten. Das wäre die beste Option für die Familie, da eine Anerkennung für Ukrainer sowieso aussichtslos ist, stellt Lena Schuster fest.

    Die Nykonchuks wohnen nach wie vor in Untersteinbach. Vater Sergej hat bald sein erstes Ausbildungsjahr als Steinmetz hinter sich. Seine Frau Lena, sie war in der Ukraine Grafikdesignerin, spricht bereits sehr gut Deutsch und hat erfolgreich ein Praktikum bei einer Werbeagentur in Haßfurt absolviert.

    Albina, die älteste Tochter, macht eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte bei einem Zahnarzt in Oberaurach. Sie möchte danach ihr Abitur machen und am liebsten Zahnmedizin studieren. Ihre Schwester Ella ist in der Realschule und hat vorbildliche Noten.

    Lena Schuster ist quasi die „Patin“ der Familie. Sie hatte einst in Gaibach ihr Abitur gemacht. Bedingt durch ein Auslandssemester im Rahmen ihres Europastudiums in der sibirischen Stadt Tomsk und ein anschließendes mehrmonatiges, soziales Praktikum in Odessa spricht die Studentin fließend Russisch.

    An den Bachelorabschluss hat die 25-Jährige ein Masterstudium in Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Innovation an der Hochschule in Coburg angehängt.

    Nicht zuletzt durch Lena Schusters Initiative waren Flüchtlingsfamilien aus der Ostukraine in ihren Heimatort vermittelt worden, darunter die Nykonchuks.

    Lena Schuster zur aktuellen Entwicklung: „Ich bin sehr froh, dass ich das Kirchenasyl damals organisiert habe – entgegen aller Zweifel und Ressentiments von anderer Seite. Ohne das Kirchenasyl stünde die Familie nicht dort, wo sie jetzt ist.“

    Weiter sagt sie: „Ich habe immer an die Familie geglaubt und für sie gekämpft, weil ich ihr Potenzial und ihren Fleiß von Anfang an gesehen habe. Umso stolzer bin ich, dass sie sich so erfolgreich hier entwickeln.“

    Die Bushaltestelle in Donezk, von der Lena Nykonchuk täglich zur Arbeit gefahren ist. Auch dieses Bild aus dem Internet entstand im Jahr 2015 in der schwer umkämpften ukrainischen Stadt.
    Die Bushaltestelle in Donezk, von der Lena Nykonchuk täglich zur Arbeit gefahren ist. Auch dieses Bild aus dem Internet entstand im Jahr 2015 in der schwer umkämpften ukrainischen Stadt. Foto: Screenshot: Nykonchuk

    Der Weg dorthin war allerdings steinig. Doch allen voran Lena Schuster, Fritz Klaus und Martina Reinhart vom Asyl-Freundeskreis, der sich ehrenamtlich um die Integration der Flüchtlinge in der Gemeinde Rauhenebrach bemüht, ließen nicht locker. Am Ende hat eine von knapp 80 000 Menschen unterstützte Online-Petition wesentlich zum Erfolg beigetragen.

    So konnte die aus Donezk geflüchtete Familie wieder das Kirchenasyl in einem evangelischen Pfarrhaus in der Gegend verlassen und nach Untersteinbach zurückkehren.

    Abschiebung hatte gedroht

    Aufgrund der Ablehnung des Asylantrags im Oktober 2015 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte der Familie ab Januar 2016 die behördliche Abschiebung gedroht.

    Fortan lebten die Nykonchuks in permanenter Angst, über Nacht aus dem neuen Umfeld im Steigerwald herausgerissen zu werden, in das sie sich doch so gut eingelebt und eingefügt hatten, bevor erst jetzt die Aufenthaltsgestattung in Verbindung mit der Arbeitserlaubnis für die Familienmitglieder zumindest für eine vorläufige Sicherheit gesorgt hat.

    Die Familie betont nach Aussage von Lena Schuster, dass sie nicht zurück in ihre Heimatstadt Donezk kann, weil es dort nach wie vor extrem gefährlich sei und auch in ihrer Straße seinerzeit Bomben fielen. Genau deswegen seien sie auch nach Deutschland geflüchtet. Dies interessiere allerdings die deutschen Behörden nicht.

    Von wegen Waffenruhe

    Genau darin liegt nach Meinung von Lena Schuster auch das gravierende Problem. Die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine drängen nicht mehr bis in die deutschen Medien vor.

    Das spiele den deutschen Behörden in die Karten, um die Ukrainer wieder zurückzuschicken, weil laut Minsker Friedensabkommen de facto Waffenruhe herrsche, was aber natürlich Unsinn sei.

    Fakt sei auch, dass die ukrainische Armee viel zu wenig Leute habe und die Kiewer Regierung über die im Mai 2014 wieder eingeführte Wehrpflicht die Zahl der Soldaten erhöht. Selbst in die Flüchtlingslager für Ostukrainer würden nach kurzer Zeit Armeeangehörige der ukrainischen Armee kommen und alle Männer, die im wehrdienstfähigen Alter sind, dazu auffordern, Kriegsdienst in der ukrainischen Armee zu leisten. Das sei ein weiterer wichtiger Grund, warum viele junge Männer aus der Ukraine flüchten.

    Mit Geld zum Kriegsdienst gelockt

    Lena Schuster: „Diese Berichte spiegeln meine Beobachtungen und Erfahrungen wieder, als ich 2016 in der Südukraine war. Ich habe dort auch gesehen, wie ukrainische Soldaten Studenten für den Kriegsdienst anwerben wollten, obwohl diese keinen Kriegsdienst leisten müssen, solange sie den Studentenstatus haben. Sie wurden aber mit Geld gelockt, ein Urlaubssemester für den Kriegsdienst einzulegen.“

    Auch ein befreundeter ukrainischer Student aus dem Wohnheim, der gerade seinen Masterabschluss gemacht hatte, sei sofort zur Armee eingezogen worden. In einer Nacht- und Nebelaktion sei er mit dem Bus aus der Ukraine geflüchtet.

    Lena Schuster: „Ich beziehe keine Position, aber ich war schon drei Mal in der Ukraine und bekomme sehr viel mit, was viele in Deutschland nicht mitbekommen“.

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