Sommelier? Na klar! Das ist doch dieser spezielle Kellner, der in nobleren Restaurants gerne an den Tisch gerufen wird, um dem Gast bei der Weinauswahl behilflich zu sein. In einer meist sehr blumigen und bildreichen Sprache erklärt er diesem dann, welcher edle Tropfen denn nun am Besten mit dem soeben georderten, sündteuren Menü korrespondiert. Und zwar Gang für Gang. Wein und Sommelier – okay, das gehört irgendwie zusammen.
Den Titel bekommt man nicht geschenkt
Doch Brot und Sommelier? Ein Brotsommelier? Was macht der? Braucht es den wirklich? Axel Schmitt kann über solche Fragen nur noch schmunzeln. Zu oft hat er sie schon gehört. Und genau so oft auch beantwortet. „Die Ausbildung ist genauso wertig wie die des Weinsommeliers“, nimmt der Frankenwinheimer Bäckermeister vorweg. Er muss es ja wissen, schließlich hat er sie gerade erst absolviert. An der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim. Geschenkt gibt es dort nichts. Den Titel „Geprüfter Brotsommelier“ schon mal gar nicht.
„Als Bäckermeister lernt man das Backen. Als Brotsommelier das Verstehen.“
Axel Schmitt, frisch gebackener Brotsommelier
Das geht schon bei den Zugangsvoraussetzungen für die 2015 eingeführten Lehrgänge an. Hinz und Kunz brauchen sich erst gar nicht zu bewerben. Bäcker- oder Konditormeister muss man schon sein, oder andere vergleichbare Qualifikationen im Lebensmittelhandwerk vorweisen können. Acht Module haben die Sommelier-Anwärter über das Jahr verteilt zu absolvieren. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag wird dann die Schulbank gedrückt und gebüffelt. Geschichte des Brotes. Brotkultur national und international. Food Pairing, oder auf gut Deutsch: Welches Brot passt zu welchem anderen Lebensmittel. Ein bisschen Betriebswirtschaft darf nicht fehlen. Wie auch die Öffentlichkeitsarbeit. „Denn der Brotsommelier ist dafür gedacht, die Wertigkeit des mit hochwertigen Rohstoffen handwerklich hergestellten Brotes herauszustellen“, klärt Schmitt auf.
Dafür braucht es Typen wie ihn. Typen, die mit Leib und Seele dabei sind. „Ich brenne für meinen Beruf,“ sagt Schmitt über Schmitt. Typen, die in positiver Weise verrückt genug sind, um für die erforderliche Projektarbeit in einer eigens eingerichteten Schallkammer den Mikroorganismen im Sauerteig 16 Stunden lang Mozart, Iron Maiden und AC/DC um die Ohren zu knallen, um dann auf gut 60 Seiten niederzuschreiben, wie sich Schallwellen auf die Reifung des Teigs auswirken. Und Typen, die bereit sind, so tief in die Sensorik einzusteigen, dass sie sogar Aromen wie „feuchter Karton“ oder „nasse Erde“ identifizieren können.
Axel Schmitt ist Jahrgangsbester
All das hat sich gelohnt. Die Prüfungen sind um. Axel Schmitt hat bestanden. Mit Notendurchschnitt 1,6. Damit ist er Jahrgangsbester. Auch wenn er zugibt: „Das war die schwerste Prüfung, die ich je gemacht habe.“ Fortan ist er einer von weltweit bislang nur 27 Brotsommeliers. Die ballen sich vor allem in Deutschland. Was wenig wundert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Brot eingetragenes deutsches Kulturerbe ist. Über 3200 Sorten gibt es hierzulande, hergestellt nach handwerklichen Regeln ohne Zusatzstoffe. „Da bedarf es schon eines Aroma- und Geschmackssachverständigen“, ist sich der „Schmitt's Bäck“ sicher.
Ein Brotsommelier ist quasi Lotse durch die immense Sortenvielfalt des Brotes. Einer, der vermittelt, „dass Brot nicht nur Unterlage ist, sondern Genussmittel.“ Einer, der den Kunden nahe bringt, dass kein anderes Lebensmittel in dieser hohen Qualität zu einem derart günstigen Preis verfügbar ist. „Handwerklich hergestelltes Brot ist definitiv schneller verdient als gegessen“, gibt Schmitt zu bedenken. Und er räumt auch mit gewissen Vorurteilen auf.
Den Verbraucher aufklären
In puncto Ernährungslehre etwa. Gluten. Laktose. Intoleranz. All diese Schlagworte geistern nicht erst seit gestern durch die Medien. „Die Leute wissen ja gar nicht, was sie noch essen sollen. Da gibt es viel Aufklärungsbedarf.“ Mit seinem neu erworbenen Wissen im Rücken möchte Schmitt den verunsicherten Verbrauchern klar machen, dass nicht entscheidend ist, was man isst, sondern wie es hergestellt wurde.
„Manche Herstellungsverfahren schließen Unverträglichkeiten aus“, doziert der frisch gebackene Brotsommelier: „Lange geführte Teige etwa bauen Stoffe, die Unverträglichkeiten auslösen können, auf natürliche Weise ab.“ Und er schiebt nach: „Das sind Fakten, die selbst Ärzten nicht geläufig sind.“ Das Fachwissen sitzt also. Besser als der weiße Kittel mit dem schwarz-rot-goldenen Kragen, der Axel Schmitt als geprüften Brotsommelier ausweist und den Ehefrau Eva-Maria für den Fototermin mit einer Klammer auf dem Rücken erst einmal provisorisch den wahren Körperkonturen ihres Gatten anpasst. „Da wächst' noch 'nei“ hat Bernd Kütscher, der Leiter der Bundesakademie, seinem Absolventen aufmunternd mit auf den Weg gegeben.
Brot geht immer
Seine Rolle als Brotsommelier hingegen füllt Schmitt bereits besser aus als seine Berufsbekleidung. Er weiß schon recht genau, wie er die Rolle als Missionar in Sachen Brot angehen will. Mit Degustationen zum Beispiel. Bier und Brot. Wein und Brot. Wurst und Brot. Käse und Brot. „Da gibt es ganz neue Geschmackssinfonien zu entdecken“, schwärmt er. Und er möchte Backkurse geben, „auch sehr spezielle.
“ Dafür erweitert er derzeit seinen Betrieb in Frankenwinheim, unter anderem um eine Schaubackstube. Ein wenig sommelier-typische Genusssprache wird da natürlich auch Einzug halten. „Aber zu geschwollen wird es bei mir nicht werden“, beruhigt Schmitt schon vorab: „Dafür bin ich nicht der Typ.“
Brot nicht nur backen, sondern auch verstehen
Rückblickend ist er „heilfroh, dass ich die Ausbildung gemacht habe.“ Auch, weil er die eigenen Produkte jetzt noch kritischer betrachtet. Etwa seit er weiß, dass es mehr als 300 Aromen gibt, die sich über die Führung des Sauerteigs beeinflussen lassen. „Das ist ein Riesenkoffer, aus dem man sich bedienen kann“, sagt Schmitt und schiebt nach: „Als Bäckermeister lernt man das Backen. Als Brotsommelier das Verstehen.“ Weil Brot eben nicht einfach Brot ist.