Wider das Vergessen – auf diesen einfachen Nenner lässt sich der Vortrag bringen, den Evamaria Bräuer am Sonntagnachmittag im Pfarrer-Hersam-Haus in Gerolzhofen zur Geschichte der einstigen jüdischen Einwohner Gerolzhofens hielt. Sie spürte dabei mit den rund 25 Zuhörern den Wurzeln jüdischer Familien nach, deren Schicksal sie akribisch recherchiert hat. Sie selbst bezeichnete ihre eineinhalbstündigen Ausführungen als Erinnerungsarbeit, als Erinnern an das geschehene Unrecht.
Rund 500 Jahre, bis ins frühe 15. Jahrhundert reichte die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Gerolzhofen zurück, als sie im Kriegsjahr 1942 ein gewaltsames Ende fand. Damals wurden die letzten in der Stadt verbliebenen Juden deportiert und ermordet. Einen ersten Höhepunkt hatte die Gewalt gegen Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten (NS) bereits vor 83 Jahren erreicht, als während des reichsweiten Pogroms am 10. November 1938 NS-Rollkommandos die Gerolzhöfer Synagoge schändeten und jüdische Einwohner tyrannisierten und zum Teil verhafteten – am hellichten Tag und vor den Augen aller.
Bräuer schilderte anhand einzelner Familiengeschichten die Wurzeln und Wege jüdischer Mitbürger, deren Grabsteine auf dem israelitischen Friedhof am Kappelberg heute oft Ausgangs- und erster Anhaltspunkt sind, wenn deren Nachfahren von Bräuer vor Ort etwas über ihre Ahnen und deren Leben erfahren möchten.

Eines der geschilderten Beispiele vollzog die Reise eines alten jüdischen Gebetsbuches nach, das von Zeilitzheim in die USA, weiter nach Israel und schließlich wieder zurück nach Zeilitzheim gelangt ist. Das Büchlein war Bräuer zufolge in den 1930er Jahren zusammen mit Herbert Selig bei dessen Emigration nach Chicago gereist. Dort arbeitete der junge Mann als Apotheker, bevor er 1973 nach Israel auswanderte. Bei einem Besuch in seinem Heimatort Zeilitzheim schenkte Selig das im Jahr 1813 gedruckte Gebetbuch der Gemeinde Kolitzheim, die versprach, dieses restaurieren zu lassen und dann in Zeilitzheim auszustellen.
Betroffen macht das Schicksal der Familie Rheinfelder aus Gerolzhofen. Jakob Rheinfelder gelang es noch, während der NS-Herrschaft in das damals japanisch kontrollierte Shanghai zu fliehen. Doch es gelang ihm dann nicht mehr, seine Frau Rosa und die beiden Buben Siegbert und Werner nachzuholen. Diese durften nicht mehr ausreisen und wurden deportiert und ermordet.
Es gibt viele Formen des Erinnerns, machte die Referentin deutlich, sei es der Besuch von Gedenkstätten an den einstigen Vernichtungslagern der Nazis, der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel oder hier vor Ort der Besuch des israelitischen Friedhofs oder der in der Stadt verlegten Stolpersteine, die an die Getöteten erinnern, die kein Grab haben. Egal wie, wo und in welcher Form: Das Erinnern an das begangene Unrecht verharrt nicht im Vergangenen. Es ist immer eine Mahnung für die Zukunft. Denn: "Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut", stellte Bräuer ein Zitat ans Ende ihres Vortrags.