Kurz vor 18.30 Uhr war Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) am Sonntag im Vorraum des großen Sitzungssaals im Rathaus. Gleich sollten die ersten Ergebnisse des Bürgerentscheids eintrudeln, das Stadtoberhaupt war zuversichtlich, dass das von ihm vehement vertretene Konzept pro Bürgerpark mit Landesgartenschau eine Mehrheit finden würde. "Ich bin lieber mittendrin im Auge des Orkans", sagte Remelé schmunzelnd und ging in den Sitzungssaal. Er ahnte nicht, wie groß der Orkan werden würde.
So groß, dass er unmittelbar nach der Auszählung bei einigen CSU-Stadträten für Wallung sorgte. Sie hielten sich strikt an der rechtlich völlig richtigen Sichtweise fest, dass beide Bürgerentscheide das Quorum verfehlten und deswegen nichts anderes gelten könne als der Stadtratsbeschluss von September pro Landesgartenschau. Aber kann man einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen?

Kurz bevor im Sitzungssaal die Lichter ausgemacht wurden, standen der OB, seine Kontrahentin Ulrike Schneider und CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Funk beisammen. Man bemühte sich um höflichen Umgang, doch es war offensichtlich, dass sich der OB mit dem von SPD-Fraktionschef Ralf Hofmann ins Spiel gebrachten Kompromiss, Bürgerpark in der Ledward-Kaserne und keine Landesgartenschau, nicht sofort anfreunden wollte. Ulrike Schneider, selbst enttäuscht von dem Votum gegen den Stadtwald, versicherte, sie würde den Kompromiss mittragen. Aus Verwaltungssicht wäre der Kompromiss, Bürgerpark und Landesgartenschau - möglicherweise unter Einbeziehung der Anregungen des Bund Naturschutz - zu machen, und außerdem innerhalb der Stadtgrenzen an einem anderen Ort als der Kaserne deutlich mehr als die geforderten zehn Hektar aufzuforsten.
Eine grüne Lunge im Westen wichtig
Dass der Westen Schweinfurts eine grüne Lunge braucht, darüber ist man sich parteiübergreifend einig. Die Frage ist nur, wie man es umsetzt und ob die 5565 Nein-Stimmen beim Ratsbegehren nicht doch unter Einbeziehung der erstaunlich vielen ungültigen Stimmen - nach Angaben der Verwaltung teilweise durchgestrichene Fragen, aber auch leer abgegebene Stimmzettel - eher für eine Erfüllung des Quorums sprechen. "Aus unserer Sicht ist das eine ganz klare Ablehnung der Landesgartenschau und des Stadtwaldes an dieser Stelle", so die Einschätzung von SPD-Fraktionschef Ralf Hofmann. Die Option Bürgerpark legt Hofmann dagegen bewusst auf den Tisch.
Schaut man sich die Wahlen in den Stadtteilen an, sieht man Erstaunliches: In keinem Stadtteil holte das Ratsbegehren eine Mehrheit. Selbst im Musikerviertel, das an die Kaserne angrenzt, stimmte man dagegen. Hier gelang es dem Stadtwald-Bürgerbegehren, Stimmengleichheit herzustellen. Am Deutschhof gab es als einzigem Stadtteil mehr Stimmen für den Wald als dagegen. Zählt man nur die Ja-Stimmen, hätte der Stadtwald die Mehrheit gehabt - auch das eine bittere Wahrheit für die Landesgartenschau-Befürworter. 4417 Wähler stimmten beim Stadtwald mit Ja, 4366 beim Bürgerpark mit LGS. Die Stichfrage entschied auch der Stadtwald für sich: 4407 zu 4360.
Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die Landesgartenschau
CSU-Fraktionschef Stefan Funk war nachdenklich. Er halte die Landesgartenschau nach wie vor für gut, gesteht aber ein, dass es offensichtlich Aufklärungsbedarf gibt. Er wolle zunächst in der Fraktion diskutieren. Auf Ulrike Schneider bezogen erklärte Funk, es seien "keine tiefen Wunden geschlagen worden. Wir achten uns und reden regelmäßig miteinander."
Unter den Initiatoren des Ratsbegehrens pro Bürgerpark mit Landesgartenschau gehen die Meinungen auseinander. Linken-Fraktionschef Frank Firsching betont: "Man kann nicht so einfach über so ein deutliches Ergebnis hinwegsehen und so tun, als wäre nichts passiert." Adolf Schön (proschweinfurt) sieht "keinen Grund, die Landesgartenschau nicht stattfinden zu lassen." Auch wenn es knapp ausging, das Quorum sei nicht erreicht. Reginhard von Hirschhausen (Grüne) schlussfolgert, dass die Mehrheit der Wähler möchte, dass die Flächen in der Kaserne entsiegelt werden. Die Befürchtung, die LGS-Kosten könnten aus dem Ruder laufen, sei größer als gedacht gewesen. Er möchte Gespräche mit den anderen Fraktionen führen, wie es weitergeht. "Wenn wir nach einem ungültigen Quorum einen Stadtratsbeschluss kippen, schaffen wir einen Präzedenzfall", warnt er.