Über ein Dutzend Sömmersdorfer Mannsbilder trennte sich am Sonntagabend von ihrer Monate lang gepflegten Maske, jenem Gesichtsbewuchs, der sie zum Schauspieler der Fränkischen Passionsspiele 2008 prädestinierte und als solche im weiten Umkreis auswies. Die brummenden elektrischen Bartschneider in den zarten Händen der Friseurinnen Birgit Vogel und Petra Rieger kannten (fast) keine Gnade mit dem „biblischen Aussehen“ von Judas & Co.
Auf Kundenwunsch durfte zwar hie und da ein ziviler Schnäuzer oder dezenter Drei-Tage-Bart am Manne bleiben. Die dennoch gefallene Haartracht vereinigte sich auf dem Bühnenboden trotzdem zusehends zu einem Kräuselteppich in rot, schwarz, braun und grau. Johlende Begeisterung und Applaus von den über 200 Festgästen war jedem einzelnen Schauspieler sicher.
Verlustgefühle und Wehmut mögen den einen oder anderen jedoch auch bewegt haben. Schließlich galt es, eine erfolgreiche Spielzeit mit langer Vorbereitungs- und Probenphase, mit persönlichen Opfern und Erfahrungen, Stolz- und Glücksgefühlen abzuschließen. Die vielen neuen Freundschaften und ihre gemeinsame Leidenschaft für ihr Passionsschauspiel verbinden die 300 Mitwirkenden aber weiterhin - und wahrscheinlich nicht nur bis zur nächsten Spielzeit.
Denn wer einmal mit dem Sömmersdorfer Festspielfieber angesteckt wurde, ist offenbar sein Leben lang infiziert. Lebendes Beispiel hierfür ist „Urgestein“ Aurelia Martschoke (88), die 1933 als Zwölfjährige beim allerersten und seither jedem Passionsspiel mitgewirkt hat. Sie erinnert sich besonders gut an die bescheidenen Anfänge im Wirtshausgarten und freut sich, dass inzwischen sogar ihre neunjährige Urenkelin im Festspielensemble ist.
Martschoke gehörte neben dem Regie-Duo Barbara und Bernhard Zorn, dem Dritten Bürgermeister Hermann Gessner („Herodes“), der Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Arthur Arnold, dem Ehrenvorsitzenden des Passionsspielvereins, Robert Seemann, und dem Vorstandsteam um Robert König zu jenen, denen in den Abschlussreden ausdrückliches Lob ausgesprochen wurde. Hinter die „beispiellose“ und „sensationelle“ Leistung der Akteure auf und hinter der Bühne, an den Verpflegungs- und den Verkehrsregelstationen wurde ein ebenso großes Ausrufezeichen gesetzt.
In der persönlichen Rückschau trugen Verantwortliche und Schauspieler am Sonntag noch viele Anekdoten aus Casting, Proben und Festspielzeit zusammen: von Wetterkapriolen, Requisitenpannen, Wespenstichen, Stolperern, Musik- und Lichtaussetzern, der „Beckstein-Dusche“ und natürlich jenem Gockelhahn, dessen Verschwinden medial unverhältnismäßig hohe Wellen geschlagen habe. An dieser Geschichte mit Kuriositätswert ist der sprichwörtliche „Bart“ inzwischen ebenso ab wie im Gesicht etlicher Passionsschauspieler der echte Rauschebart.
Die statistische Vollbartträgerdichte in Sömmersdorf mag sich momentan dem fränkischen Normalniveau angenähert haben. Doch in absehbarer Zeit wird sicher das Casting für die Fränkischen Passionsspiele 2013 seine Schatten voraus werfen und so manches Männergesicht durch haarige Wuchskraft wieder dem Schönheitsideal „biblischer“ Zeit nacheifern.